Dienstag, 3. September 2013

Liebeserklärung


Es ist immer anders, es war immer wieder anders. Es ist nie gleich. Ich weiß, was mich erwartet und ich freue mich darauf. Doch dann, wenn ich die Drogen nehme, ist alles so anders, dass ich vorher nie auch nur ansatzweise an den wahren Inhalt dieses Rauschs gekommen wäre. Ich will spielen. Ich will völlig entkoppelt sein aus der Realität und wie ein kleines Kind hüpfen, ich will die Menschen sehen, wie sie tanzen und wie sie eine schöne Zeit haben. Das ist es, was den Rausch so erlebenswert macht. Die völlige Emphatie, und das Loslassen von allem, was mich irgendwie hier, in der Realität, gehalten hat. Ich bin sorgenlos. 
Ich merke, wie der Trip kommt. Ich merke, dass sich etwas anbahnt in mir, als würden alle Emotionen durch eine ganz winzige Stelle in mir, die zugemauert wurde. Ich spüre die Bässe, ich sehe das Licht. Ich spüre, das ich anfange, leicht zu sein. Mein Körper ist von einer atemberaubenden Agilität, ich fange an, sie auszukosten. Ich bewege mich durch den Raum, aber dieser Raum ist anders. Er ist erfüllt von den Wellen der Musik, Wellen, die wie ein Meer auf mich zu rollen, meinen Körper erfassen und fortreißen. Ich bewege mich von selbst. Ich habe nicht die Kontrolle verloren, ich habe sie abgegeben. Ich habe sie in die Hände des MDMA gelegt, das durch meinen Körper zirkuliert, und ich vertraue darauf.Ich vertraue dem Universum, dass es mich lenkt, und auf mich aufpasst, während ich mich verliere. Ich spüre, wie die Dämme brechen. Und dann, mit einem Mal, ergießt sich alles Glück, alle Freude und jede Euphorie in mir, ich bin in einem wahnsinnigen Rausch. Alles ist schneller, schöner und so viel intensiver. Ich spüre die Bewegungen meines Körpers und mein Geist selbst sieht mir zu. Ich spüre, dass meine Beine stampfen, auftreten, abheben im Takt der Bässe. Und meine Arme fliegen umher, sie treiben im Wasser der Musik, allgegenwärtig. Ich realisiere, dass ich grinse, das ich lache. Ich lache die Menschen an, und sie lachen zurück. Ich weiß, sie fühlen so wie ich. Ich bin frei, endlich bin ich frei. Mein Kopf, bar aller Sorgen, mein Körper, enthemmt wie er schon immer wollte. Ich fühle, das ich lebe und das ich endlich zuhause bin. Fremde Menschen, ich sehe sie vor mir tanzen, und ich fasse sie an den Händen und wir drehen uns im Kreis. Für einen kurzen Moment, kommt es mir vor, als hätten nicht unsere Körper uns berührt, sondern unsere Seelen, unser Inneres. Als hätten wir nur einen kurzen Augenblick all das Glück, das uns gerade wiederfährt geteilt. Ich treibe mit dem Moment, nichts was morgen ist oder gestern war kann mich jetzt beeindrucken. Ich bin wichtig, das es mir gut geht ist wichtig. Das es den Leuten hier gut geht ist wichtig. Denn ich liebe sie. Ich weiß, dass ich sie liebe, auch wenn ich nüchtern bin. Ich liebe sie nicht auf eine platonische Weise, sondern ich liebe sie, weil sie hier sind und all ihr innerstes vor uns allen hier offenbaren und das sie hier sind, um uns eine gute Zeit zu ermöglichen. Jeder dieser Menschen hat es verdient, hier an dieser Stelle der Realität ebenso zu entfliehen wie ich. Und das sie mich nicht für das verurteilen, das danke ich ihnen. Doch dann, merke ich, meine Beine stehen still. Der Bass hat sich in einen rauschenden Bach verwandelt, tiefe summende Töne bilden eine Melodie und formen einen Sinn für mich in meinem Kopf. Ich weiß, dass dies nicht einfach Musik ist. So klingt die Welt. Dies ist die Melodie des Lebens, der Welt, des Universums. Und es sagt mir "Sei du selbst. Achte auf dich, denn das ist wichtig. Geht es dir gut? Trinkst du genug? Du weißt, du musst vorsichtig sein, du darfst nichts übertreiben, damit die Welt weiterhin schön ist. Damit du weiterhin dieses Glück genießen darfst. Nur wenn du dir sicher bist, dass du und dein Leben okay sind, nur dann schenke ich dir weiterhin diese vollkommenen Momente. Sei frei. Sei du selbst. Nur das zählt." Und schon geht der Bass weiter, und ich stampfe, springe, hüpfe und laufe, wissend das meine Freunde und die auch die Fremden hier sind und hier bleiben. MDMA, ich liebe dich. 

Und heute?

Mein Leben vor einem halben Jahr:

Ich komme in einen Raum. Obwohl er nicht sehr groß ist, ist seine Decke sehr hoch, so hoch, dass ich sie nicht mehr sehen kann. Es ist dunkel in dem Raum. Und er ist absolut leer. Nichts ist in diesem Raum, nur ich. Ich ganz alleine. Es ist jedem egal, dass ich in diesem Raum bin, und das erkenne ich. Ich erkenne, dass ich jedem egal bin. Egal wem. Ich bin hier, und ich bin alleine, und jeder kümmert sich nur um sich selbst. Niemand sagt, "Hey, er ist ganz alleine da, lasst ihm uns helfen!". Ich merke, die Menschen treten nicht mit mir in Kontakt, um mir zu helfen. Sie wollen nur ihren eigenen, egoistischen und ganz simplen Vorteil erarbeiten, mit Lügen und Hinterlist. Selbst jene, die ich dachte zu lieben, wenden sich ab von mir. Gibt es sie überhaupt, die Liebe? Diese Frage bleibt lange unbeantwortet und wird es auch bleiben. Ich stelle diese Frage nicht mehr, es spielt keine Rolle. Denn selbst wenn ich die Antwort fände, welche Rolle spielt es schon? Ich hinterlasse keine Spuren auf dem Angesicht der Erde. Ich werde vergessen werden wie alle vor mir vergessen wurden, all die Millionen Namenlose. Und ich könnte auch genauso gut nicht existieren, und keinen Menschen würde es auffallen, keiner würde sagen "Moment, in diesem Raum fehlt doch jemand!" Irgendwer anders würde meinen Raum einfach übernehmen und dieselbe Rolle spielen wie ich, die selbe, ebenso nichtige und unwichtige Rolle. Das was bleibt ist mein verrottendes Fleisch in der Erde. Und egal, wie viele Menschen und wie viele "Freunde" ich um mich scharre, ich sterbe alleine. Ich bin hier, und dann plötzlich nicht mehr. Ich werde tot sein, verschwunden. Und nichts von mir wichtiger als ein Tropfen im Ozean.

Was soll ich tun?

Ich nahm eine Pille. Und die Welt explodierte vor meinen Augen. Es war bunt. Es war laut. Es war Glück. Freude, Atemlose Aufregung, Erregung. Geschmacksverstärker für die Sinne, Rausch. Die Pupillen zuckten, wahllos, willkürlich. Bunte Gase, oder doch Licht? Leute, Licht, Musik und Liebe. Liebe für alles. 
Den Takt der Zeit hören, die Stimme des Universum summen hören und das Blut austauschen. 
Leben. Das Leben fühlen, schmecken, hören, essen, es verschlingen und ganz in sich aufnehmen und es lieben - Das Leben!