Sonntag, 4. August 2013

"Das geht voll ab"

Wonderland steht kurz bevor, und noch immer hab ich meinen ausführlichen Bericht über Tannengrund nicht veröffentlicht. Doch jener Zustand hat zwei einfache Gründe:

1. Das Verarbeiten der Erlebnisse dieser Nächte beansprucht eine lange Zeit und 
2. Noch heute kann ich die Dinge ab Samstag Mittag nicht mehr in eine zeitliche Kausalität bringen. Ich weiß nicht, wann was wo und mit wem und wie geschah. Doch dazu kommen wir gleich.
Wenn ich von dieser ganz besonderen Reise berichte, muss ich vorne anfangen. Ich brach bereits vormittags in Richtung A. auf. Wir luden ein und holten dann V., F., der das erste Mal mitkam, sowie N. ab, den ich zuvor nicht kannte.
Die Reise lief an sich recht Ereignislos ab. Zumindest bis wir unser Ziel fast erreichten, und N. nach dem Weg fragte, in einem Supermarkt. Ich kann bis heute nicht aufzählen, was er dabei alles gestohlen hat. Waffeln, Mentos, Zigaretten, Feuerzeuge. Sie alle holte er aus seinen Hosenbeinen. Reine Zauberei.
Doch wir erreichten unser Ziel, wir bauten unsere Zelte auf und dann wartete man auf den Einlass. Wir spackten noch nichts großes, aber ließen das Gras natürlich durch unsere Gruppe wandern. Mit einigen Zeltnachbarn belief sich unsere Gruppe auf wohl gefühlt 10 bis 15 Leute... Nunja, dies ist der passende Moment um festzustellen: F., der eigentlich ein Metallhead ist, ist der gierigste Mensch auf einer Goa, den ich jemals gesehen habe. Kaum zog einer an der Tüte, schon schrie er, er wolle auch. Er schnorrte sich im Laufe des Samstags von 7 Leuten einen Zug an deren Tüten auf dem Floor, mit einer Tüte rannte er sogar davon. Der Typ war übelst mett.
Aber nunja. Um kurz vor 19 Uhr am Freitag, baute ich mir ein halbes Teil, meine Reliquie, mein Überbleibsel von Schallgitter, ein. Jener Rausch, er war unfassbar. Ich bekomme den Zeitlichen Ablauf ob des berauschenden Gefühls kaum auf die Reihe, ich weiß nur, wie ich unzählige Leute ansprach, ich lerne Judith und Piet kennen, Conny die Klofrau, Leute, die ich danach nie wieder sah, Olaf. Sie alle lernte ich kennen, doch ich weiß nicht mehr wann, wo und in welcher Reihenfolge. Ich tanzte in einem Rausch aus Farben und Formen und Menschen, auf diesem Floor, auf jenem Floor, ich umarmte Leute die ich nicht kannte, einfach, weil diese unendliche Woge der Empathie in mir danach verlangte. Ich sah diese Menschen und ich sah wie sie glücklich waren und ich war glücklich und ich war froh, dass sie glücklich waren. Selten hatte ich das Gefühl, Menschen, einfachen Menschen, derartige Zuneigung zuzubringen.
Ich weiß nicht, was diesen Abend alles geschah. Aber ich weiß, dass ich ab 4 Uhr alleine da war, also keiner meiner Goabuddys in der Nähe. Und ich tanzte mit all meiner Energie auf dem Goafloor. Die Bässe bestimmten meine Atmung, meinen Takt und den Rhythmus meiner Bewegungen, die Geschwindigkeit meiner Beine, die Richtung. Jedes noch so kleine Detail, jede Veränderung in meiner Umgebung nahm ich wahr, doch es war nicht wirklich ich, sondern mein inneres Selbst, das völlig getrennt von meinem Körper sich durch die Melodien bewegte. Die Melodien, die ich völlig abgesondert von den Taktgebenden Bässen wahrnahm, die wie ein zweites Lied, das ich mit einem zweiten Gehör hörte, meinem Oberkörper die Richtung, die Bewegung und die Geschwindigkeit wies. Ich war völlig eins mit der Musik und trieb mit ihr durch die Nacht, durch die Sterne über mir. Sie rasten an mir vorbei, über mir hinweg, doch nie zufällig. Ich kontrollierte sie und steuerte sie, ich wies ihnen ihre Plätze am Himmel zu. Es war eine einzige, riesige Ordnung im Absoluten Chaos. Ich weiß nicht, wie und wann ich zurück zum Zeltplatz kam. Aber ich weiß, dass ich diesen Tanz, ich ganz alleine mit mir selbst und den Sternen über mir, niemals vergessen werde.
Samstag sollte vom Charakter her ein ganz anderer Tag werden. 
In jenem Wald wurden Teppiche und Polster ausgelegt, eine Chillout-Area. Ja, zumindest ich spackte ab 11 Uhr morgens kontinuierlich. Was ich jedoch feststellte... Der Konsum von Gras auf Teile bringt dich vollends aus der fassung. Du staunst, und weißt selbst nicht über was. Alles ist weich, alles ist intensiv, alles ist so viel deutlicher, echter und dumpfer als in Realität. Es war Zufall, dass ich diese Wirkung entdeckte, doch wir nutzen sie aus. Bis zum Abend. Ich nahm diesen Abend Magic Mushrooms.
Wie soll man beschreiben, was dort mit einem passiert.
Wenn wir unseren Blick über unsere Umgebung schweifen lassen, rein objektiv, was sehen wir da. Wir sehen viele Farbfacetten in verschiedenen Formen, die ein Bild ergeben. Unser Gehirn sagt uns, in dem es das, was es dort sieht, mit bereits gesehenem vergleicht, was wir dort sehen. Es sagt uns, wie weit es entfernt ist, aber das is der Punkt. Unser Gehirn schafft Dreidimensionalität. Doch ich SAH dreidimensional. Ich sah spektrale Formen und Bilder in den Blättern, rotierende Äste und Gesichter, ich sah wie die Äste auf mich zeigten, ich sah Löcher in den Bäumen! Löcher. Und in diesen Löchern glitzerten kleine Funken, die mich freundlich anlächelten. Ich sah sie an, und die Bäume lebten. Alle Blätter wanderten in Endlosen Kolonnen über die Äste die Krone entlang, bildeten Ringe um die Funken, drehten sich um sich selbst und die Ringe in die jeweils umgekehrte Richtung des Nächsten, alles im Takt der Musik. Eine Bewegung mit den Augen und die Blätter stoben auseinander wie scheue Rehe.
Wir spazierten, doch ich weiß nicht wo, ich weiß nicht wie lange. Ich traf Leute die ich kannte, doch konnte nicht reden, nur lachen. Lachen vor unendlicher Freude, die mich erfasste, unendliches Glück. Diese Dinge, die ich sah, sie machten mich froh und glücklich. Ich sah mich selbst aus der dritten Perspektive, ich tanzte und ich weiß nicht wie lange. Ich habe keinerlei Erinnerung in welcher Reihenfolge und wann genau jener Tag endete, aber es sollte der letzte Tag, und doch der Beste, auf diesem Festival sein.
Denn am nächsten Tag brachen wir bereits früh auf, wir umfuhren die Polizei, und erreichten dann, trotz Widrigkeiten und Aufregung, doch unsere Heimat, unsere Duschen, Essen und ein warmes Bett.

Und einmal mehr... Danke Goa, danke, dass du mir die besten Tage meines bisherigen Lebens bescherst. Danke.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen