Mittwoch, 27. Juli 2016

Loslassen

Vor einer Weile habe ich einen Fehler gemacht. Einen furchtbaren Fehler, der die wichtigste Person in meinem Leben sehr verletzt hat.
Ich bin fremdgegangen. Wir hatten eine Bekannte hier, die ich auch über diesen Blog kennenlernte, vor vielen Jahren.
Ich hatte keinen richtigen Sex mit ihr. Wir hatten MDMA genommen, und am Morgen danach wild rumgeknutscht, meine Hand unter ihrem Top und zwischenzeitlich in ihrer Hose.
Wir brauchen nicht drüber reden, dass das ein unheimlicher Fehler von mir war. Ich schäme mich dafür, aber ich kann nichts anders tun, als weiter zu machen und nach vorne zu blicken. Meine Frau will natürlich nichts mehr von dieser Person wissen.
Nennen wir sie C.
C. und ich hatten schon öfter Sex. Im Jahr 2012, im Oktober lernten wir uns kennen. Damals war ich frisch getrennt. wir schrieben fast ein ´Jahr, bis sie mich besuchen kam. Ich war damals was Sexualität betrifft eigentlich ziemlich gehemmt. In meiner vorherigen Beziehung war irgendwann alles Routine. Aber nicht so bei C.
Bei C. fühlte ich zum ersten Mal in meinem Leben Leidenschaft. Und Männlichkeit. Das ist ein wichtiger Punkt. C. stand auf härteren Sex, was ich vorher nie ausprobierte. Ich war der Meinung, einfach weil ich es nicht kannte, dass mir sowas nicht gefallen würde, ich war der Meinung nur Blümchensex mit Schmetterlingen und Liebe ist guter Sex, alles andere amoralisch.
C. zeigte mir das Gegenteil. Sie war nicht lange da, aber danach war ich wie paralysiert. Das fiel gerade in die Zeit, als ich Drogen kennenlernte. Und mich. Ich hatte gerade eine neue Persönlichkeit bekommen. Und nun auch eine neue Sexualität. Überhaupt eine Sexuelle Identität.
Noch dazu ist C. selbst atemberaubend. Kaum eine andere Frau, außer meiner Ehefrau, hat mich jemals so angesprochen wie sie. Mit ihr konnte ich alles ausprobieren, alles machen.
Ich fühlte mich beim Sex mit ihr immer lebendig. Und noch dazu wurde sie einer meiner besten Freunde. Und niemals, auch nur eine Sekunde, zweifelte ich an dem Fakt, dass ich niemals eine emotionale Bindung zu diesem Mädchen entwickeln könnte, die den Namen Liebe verdient.
Nicht das ich sie nicht liebe. Wie eben eine wunderbare Freundin.
Nur das was ich für meine Frau empfinde, könnte ich nie für sie empfinden. Umso schöner war es mit ihr zu experimentieren. Und einen Raum zu haben, in dem ich auch ein wild die Zähne fletschendes Tier sein kann. Oder unterwürfig und nur darauf wartend, dominiert zu werden. Sie war die absolute Erfüllung meiner sexuellen Wünsche.
Es war etwas wunderbares. Etwas wunderbares, für das ich mich jetzt schuldig fühle. So schuldig das ich kaum noch an C. denken kann, ohne das es mich zerfrisst. Mehr noch aber die Tatsache das ich diese Erfüllung in dieser Form nie mehr erleben werde.
Meine Frau war noch Jungfrau, als ich mit ihr zusammenkam. Sie fängt ohnehin erst an, ihre Sexualität zu entwickeln, aber halt in ihrem Tempo. Und nie würde ich sie drängen. Sie hat das Recht, sich alle Zeit der Welt zu nehmen, bis sie herausgefunden hat, was und wie und wie oft und wo. Aber oft korrelieren unsere Vorstellungen von Sexualität nicht. Und die Erfüllung einiger meiner Bedürfnisse sind eben ein Problem,
Ich werde lange darauf warten müssen, bis meine Frau das Selbstbewusstsein hat, dominant zu sein. Wenn es überhaupt jemals eintritt. Oralsex, sowohl aktiv als auch passiv. Und vor allem das gefühl begehrt zu werden. Es sind Dinge die mir fehlen. Und, was auch für meine Frau bislang schwer zu verstehen war, fürchte ich, dass diese Dinge fehlen hat keine Auswirkungen auf die Tiefe meiner Liebe zu ihr. Keine Auswirkungen auf meine Gefühle. Ich will mit dieser Person mein Leben verbringen. Und meine Kinder groß ziehen. Und auch mit dieser Person Sex haben, denn es ist nicht so, dass der Sex mit ihr nicht erfüllend und vorallem schön wäre - es ist eher so, dass das eben nur ein Aspekt ist, der meine Sexualität ausmacht.
Und mittlerweile bin ich ob meiner Bedürfnisse, meiner brodelnden Sexualität und den vorangegangen Ereignissen mit C. so verunsichert, so beschämt und traurig, dass ich mich am liebsten chemisch kastrieren lassen wollen würde. Und überhaupt keine Triebe mehr. Und keine Sexualität. Ich nehme es einfach immer mehr als Last wahr. Als eine Bürde, dass ich, wenn meine Frau eine längere Pause von sexuellen Bedürfnissen aller Art macht, was häufiger vorkommt (auch hier nicht den Hauch eines Vorwurfs, Sie reagiert sowohl psychisch und körperlich auf alle Arten von Stress, hat vielleicht auch Asperger oder leichten Autismus, Anzeichen dafür gibt es, und hat ohnehin eine komplizierte Sexualität. Ich verstehe sie wirklich und ich will auch überhaupt nicht das sie irgendwas tut worauf sie eigentlich keine Lust hat, denn so gewinnt niemand), ich irgendwann hormonell so unterzuckert bin, dass ich jede Bewegung von ihr als Andeutung verstehe, nicht mehr mit ihr kuscheln kann, ohne das ich ihr am liebsten die Kleidung vom Leib reißen will, und mich für jeden dieser Gedanken schäme und schuldig fühle. Und so steh ich morgens extra eine halbe Stunde auf bevor sie von der Arbeit kommt, um zu masturbieren um wenigstens mit ihr knuddeln zu können wenn sie heim kommt. Und oft sitze ich danach ernüchtert rum, sehe groteske nackte Körper auf dem Bildschirm und denke "Das ist das alles nicht wert.".
Und das ist es auch nicht. Aber es ist nunmal mein Körper und daran kann ich nun auch nichts ändern. Ich ziehe viel meines Selbstwertgefühls aus Sex. Ich bekomme einen Egoschub nachdem ich Sex hatte, aber das Gegenteil ist bei langer Flaute der Fall.
Und das nervt mich. Ich hasse mich so sehr dafür. Und vor allem meinen Körper. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, diese ständige Spannung, die sich nie abbaut, die Schuld, wegen dem was mit C. passiert ist, das Wissen, das sich nichts von alledem ändern wird auf absehbare Zeit und die Angst, mit der einzigen Person die was daran ändern kann zu reden, weil sie sofort befürchtet das unsere Beziehung daran zerbricht und sich unangebrachte Vorwürfe macht. Mit dem Ergebnis, das ein Gespräch darüber fruchtlos endet.

Und dabei war es alles eigentlich etwas wunderschönes. Liebe in der einen Hand, einen Menschen, auf den man immer zählen kann, für den man töten würde und sterben und in der anderen Hand sexuelle Entfaltung und Selbstbestimmung. Und das beides irgendwann so kollidieren würde, und das eine das andere so in den Dreck zieht, dass ich manchmal nachts nicht schlafen kann, das hab ich niemals gewollt.
Es schmerzt einfach nur. Es schmerzt diesen wunderbaren Menschen verloren zu haben, es schmerzt, diesen wunderbaren Menschen verletzt zu haben und es schmerzt, beides nicht ändern zu können.
So viele Tage, an denen ich mir wünsche asexuell zu sein.
Ich bin verzweifelt. Denn ich weiß nicht was ich tun soll. Jeder Schritt ist ein Schritt auf eine Mine, jeder Gang ist ein Gang zum Galgen. Ich kann meine Ehe zerstören, wenn ich drüber rede, weil meine Frau es befürchtet und man kennt sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Mit C. darf ich nicht mal mehr sprechen und sollte ich auch nicht, wenn ich nicht gleich wieder Schuldgefühle haben will, denn jeder Gedanke an sie, egal in welcher Situation, hat diesen anrüchigen Geruch. Einfach weil die sexuelle Spannung meinerseits immer wahrgenommen wurde. Ich habe mir die Erinnerung an 4 Jahre Freundschaft zerstört. Ich habe meine Ehe fast zerstört. Ich habe meine Sexualität zerstört.
Ich will da wieder raus und ich weiß nicht wie. Ich will einfach wieder ohne ´Schuld an C. denken können, denn das, was da passiert ist war für sich genommen wunderbar und ein wichtiger Meilenstein in meiner Beziehung. Und so vieles hat es beeinflusst. Ich will wieder meiner Frau in die Augen gucken können, ohne fast Tränen in die Augen zu bekommen weil ich sie so begehre. Und dann wirklich in Tränen auszubrechen weil ich dieses Gefühl so selten selbst fühle. Und die Person, bei der ich dieses Gefühl immer hatte, war C.
Es ist einfach so verfahren. Ich weiß einfach nicht was ich noch tun soll.
Ich muss loslassen. Einfach loslassen und alles gehen lassen. Die Schuld gehen lassen. C. gehen lassen. Aber dann müsste ich auch einen Teil meiner Erinnerungen, einen Teil meiner Entwicklung gehen lassen. Und dann sind noch lange nicht meine Bedürfnisse gestillt.
Alles was ich will ist Frieden. Ruhe. Oder Erfüllung. Und beides ist einfach nicht drin. Ich muss weiter diese Tortur durchmachen und das Beste draus ziehen.
In der Hoffnung, dass irgendwann alles besser wird.

Manchmal will ich einfach losgehen. Immer geradeaus. Egal wohin. Ich will gar nicht ankommen. Ich will nirgends sein. Berge sehen. Wasser. Wälder, Steppen und Sümpfe. Und nie ein Wort sagen. Bis es endlich leise ist in meinem Kopf. Weit weg von allem. Mit mir alleine. Und mich endlich richtig kennen lernen. Und wissen wer ich bin. So vieles passiert was ich gar nicht verarbeiten kann. Ich will jeden Tag nur das der Tag vorbei ist, aber auch, dass es nicht morgen wird. Ich hänge fest, ohne Richtung und ohne Ziel, wie eine Gratwanderung zwischen Trance und Realität. Und fernab all der Dinge, die im Moment für mich real sind, würde ich gerne einfach sitzen. Und endlich wieder das Leben in den Dingen um mich herum fühlen. Die warme Sonne auf der Haut. Und Wind spüren. Und außer mir niemand. Ich verliere immer mehr die Haftung zu mir. Ich drehe mich um mich selbst auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Chaos in mir, doch der Weg ist nicht innen. Der Weg ist draußen und ich muss ihn physisch gehen.
Die meisten Tage geht es mir ja sogar gut. Aber die unbestimmte Angst in mir, genau so werden wie ich es nie sein wollte. Das es jetzt vorbei ist mit den goldenen Zeiten. Das ich nichts mehr ändern kann, als wäre die Zeit abgelaufen und ich bin so wie ich bin. Als könnte ich nicht aus mir selbst heraus. Ich will gerne anders sein. In so vielen Punkten, auch abseits meiner Sexualität und dessen, was dort oben noch steht. 
Ich habe soviele, emanzipierende Schritte getan in letzter Zeit. Meinem Vater gesagt, dass ich ihn nie wieder sehen will. Nach 22 Jahren. Und noch immer weiß ich nicht, ob ich mir trauen kann, dass das eine gute Entscheidung war. Und klar sagt mit mein Verstand, dass es das war. Aber manchmal habe ich ein Bauchgefühl und das würde ich gerne erforschen, aber ich kann das hier nicht. Ich kann nicht in diesem Raum sitzen, in dem schon so viele Emotionen zu all den Themen in mir gefühlt wurden und so viele Wörter gesagt. Ich brauche was neutrales um wieder zu mir zu finden. Um überhaupt zu wissen wer ich bin. Wohin ich will. Was mich ausmacht. Ich bin so verwirrt. Weil alles in mir in den letzten Jahren nach und nach auf den Kopf gestellt wurde. Und der Zeil in mir, der noch so ist wie ich im Winter 2013 weiß, dass das gut ist. Und eine Chance die ich nutzen muss. Eine Chance, doch noch zu dem zu werden der ich will. 
Ich fühle mich so unendlich rastlos. So beklemmend im Magen. So bedrückend im Herz. Und ich weiß einfach nicht wohin damit. Wohin mit all dem. Ich will Hilfe, dass irgendjemand kommt und mich in den Arm nimmt. Mir sagt, ich brauch mich nicht schuldig fühlen. Jemand der mir sagt, dass ich nicht verrückt bin und das alles nur aus meiner Sicht Sinn macht und ich nicht einfach ein hoffnungsloser Psychopath bin, der egozentrisch und manipulativ versucht, sich und andere zu verarschen und ein völlig kaputtes Bild von dem hat, was um ihn herum passiert. Ich will das dieser jemand mit sagt, dass man alles schafft. Und für alles einen Weg findet. Ich will das mich zumindest irgendwer versteht. Ich will das ich nicht mehr das Gefühl habe, ich muss das alleine mit mir rumtragen. Ich will nicht das Gefühl haben, den Menschen um mich herum eine Last zu sein. Und mich versteht. Der mir sagt, dass ich keine Angst haben muss wenn ich irgendwem all das erzähle, dass alles kaputt geht. Und ich ganz alleine bin. Wegen Dingen, die mich mich selbst nicht leiden lassen. Die dafür sorgen das ich, wenn ich in den Spiegel schaue, nur noch ein hässliches Gesicht zu einem noch hässlicheren Charakter sehe. 
Ich will doch nur das sich dieser Druck löst. Bevor er mich zerdrückt.