Freitag, 6. Juni 2014

Chains

Angestoßen durch eine alte Diskussion im Land der Träume keimt gerade die Frage in mir auf, was hat mich zum Drogenkonsum getrieben? Was waren die Gründe?
Schwer das genau fest zu machen. Vor allem schwer, weil nicht genau fest zu machen ist, wie weit die Gründe in meine Vergangenheit reichen.
In meiner Kindheit lebte ich in einer von Gewalt genährten Patchworkfamilie, die überhaupt nicht funktionierte. Das Zusammenleben war ein Fiasko und eigentlich litt jeder beteiligter darunter.
Dennoch musste ich den Scheiß 11 Jahre mitmachen. Nach diesen 11 Jahren lebte ich dann erst mal wieder bei meiner Mutter. Das Leben wurde besser, aber zugleich auch schlechter. 11 Jahre lang wollte ich Kontakt zu meiner Mutter, den ich jetzt, aufgrund einiger Dinge, die ich gar nicht ausführen möchte, dennoch nicht ganz bekam. Aber ich hatte wesentlich mehr Freiheiten, so dass ich erstmals in meinem Leben begann, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Dennoch hatte ich den Terror der vergangenen Jahre nie verarbeitet. Ich dümpelte daher irgendwo zwischen verletzten, traurigen und pubertären Jugendlichen und einem manischen Soziopathen herum. Ich war gerne alleine, gerne für mich und konnte damals schon nicht viel mit anderen Leuten und der Welt in der wir leben anfangen. Ich war dennoch kein Sonderling, kein Außenseiter, was an meiner damals sehr sarkastischen und zynischen Art lag. Und daran, dass ich in meiner Bösartigkeit auch keinen Respekt vor Autoritätspersonen besaß, was mir zumindest in der Schule immer Ruhe verschaffte. Niemand drosch auf mich ein, aber ich war eben so gut wie alleine, was ich begrüßte.
Ich bekam eine Freundin und mein Leben besserte sich, ja wirklich. Sie gab mir all das, was mir all die Jahre fehlte. 
Aber irgendwie wurde ich unglücklich, weil ich wusste, dass diese Zeit vorbei gehen würde, dass wir erwachsen werden würden und das ich nicht bereit dazu war. So wurde aus mir ein fürchterlicher Misanthrop, der seine Vergangenheit und all die damit verbundenen Ängste, Zwänge und Emotionen zu seinem Lebensinhalt machte, um sie zu verarbeiten bevor es zu spät ist. Um endlich erwachsen werden zu können. Das stürzte mich jedoch in eine tiefe Depression, ich nahm Medikamente und besuchte Kliniken, ich arbeitete an mir, doch die Beziehung zerbrach.
Jetzt sind wir 8 Monate vor meinem ersten Konsum. Ich denke, all die Erfahrungen in meinem Leben, die ich bis zu diesem Punkt gemacht habe, sind durchaus richtungsweisend gewesen, doch der wirkliche Ausschlag für einen Drogenkonsum meinerseits war damals die Trennung. Ich stand vor dem nichts, hatte nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Ich ertrank Monatelang in meiner Trauer. Klar, ich suchte mir eine neue Beziehung, die durchaus auch durch den Drogenkonsum nicht so verlief wie sie es hätte sollen. Jedenfalls endete auch diese nach drei Monaten, kurz nach meinem Erstkonsum. Mein Leben zum Zeitpunkt meines Erstkonsums sah also durchaus nicht so übel aus, wie man annehmen würde, ich hatte eine Freundin... Dazu sollte ich sagen, Beziehungen sind für mich sehr wertvolle Dinge, ich gehe sie eigentlich nicht leichtfertig ein, denn eine Beziehung heißt für mich ein Teil seines selbst für jemand anderen auszugeben. Doch diese Beziehung war, so muss ich nachblickend sagen, hauptsächlich dafür gedacht, mich aus dem Sumpf zu ziehen. Doch schon vor meinem Konsum zeichnete sich ab, dass das nicht klappen würde, aus Gründen, die zu offensichtlich sind um sie hier auszuwalzen.
Ich nahm Drogen und war fortan so sehr mit mir beschäftigt, dass die Beziehung einfach scheitern musste, was sie auch tat. Als sie vorbei war, lag ich irgendwo in einem Wald, völlig entrückt von der Realität, was genug über die Veränderungen aussagt, die ich gemacht habe.
Was war also der eigentliche Grund? Was hat mich dazu getrieben? Verzweiflung, dank Ermangelung von anderen Ideen. Ausweglosigkeit. Ich hatte keine weiteren Ideen mehr, was ich mit meinem Leben anstellen soll. Ich hatte die Möglichkeit weiter vorwärts und rückwärts im Sumpf zu fahren, oder endlich aus dem Schlamm herauszukriechen. Es hätte schief gehen können, klar. Nicht vieles, aber angenommen ich wäre etwas dümmer als ich bin hätte es zu Süchten und anderen, schlimmeren Dingen kommen können. Ich hätte Abstürzen können. Aber ich hätte auch so weiterleben können wie zuvor, und dann hätte ich irgendwann einen Strick genommen.
Jetzt aber geht es mir gut. Die Drogen haben mir geholfen. So absurd es ist, aber die Drogen haben mein Leben lebenswert gemacht. Vielleicht haben sie andere Dinge, andere Bindungen und vor allem den Blick mancher Menschen auf mich verändert und zerstört, vielleicht machen sie auch noch Dinge kaputt. Aber dann, wenn sie das tun, werd ich hoffentlich erkennen können, dass sie es tun und Gegenmaßnahmen ergreifen. 
Überhaupt... Irgendwann werde ich mit dem Konsum aufhören. Eines Tages wird der Tag kommen, an dem ich vom Acid nichts lerne, ich auch ohne Emma verklatscht bin, meine Fantasie Pilze ersetzt, und ich auch ohne Gras ein Gemüt wie ein Bär im Winterschlaf habe. Das wäre eine Voraussetzung.
Ich würde auch für ein Mädchen aufhören. Für das Mädchen. Das Mädchen, dass nicht von mir verlangt, aufzuhören, wenn sie selbst keine nimmt. Ich will ein Mädchen, dass Drogen als Teil meines Lebens akzeptiert, diese Drogen mit mir erlebt und wir zusammen mit ihnen aufhören. Das Mädchen, dass es schafft, für mich Drogen zu nehmen und mit mir aufhört, zeitgleich aber auch das Mädchen ist, dass die selben Bilder sieht wie ich, wenn ich Musik höre, dass die selben Träume hat... Für dieses Mädchen würde ich aufhören.
Ob das jemals passiert, das weiß ich nicht. Aber eine Partnerin, die keine Drogen nimmt und mich nicht mit ihnen akzeptiert ist keine Basis für mich und wird es niemals sein.