Mittwoch, 26. Februar 2014

Totgekifft und der War on Drugs

Ein Raunen ging durch Deutschland, zwei junge Menschen sind angeblich durch den Konsum von Cannabis gestorben. Ich finde die Aufregung beiderseits - sowohl der Grasgegner als auch deren Befürworter - für völlig unbegründet.
Aus folgenden Gründen:
Die Todesursache muss nicht Cannabis gewesen sein. Es kann nicht ausgeschlossen werden, das ist richtig, aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Cannabis den Herzinfarkt ausgelöst hat. Dazu hatten beide Konsumenten eine vorherige Herzerkrankung, von der sie selbst nichts wussten. Dass Cannabis den Puls beschleunigt ist bekannt, und sowas kann im Zusammenspiel einer Vorerkrankung natürlich einen Infarkt auslösen. Insofern hätten die beiden auch beim Sport, dem Konsum von Viagra, einem spannendem Film oder beim Sex sterben können. Dazu kommt, dass beide kein THC, sondern lediglich die Abbauprodukte im Körper hatten, d.h. es lag kein aktueller Konsum vor und die Wirkung des Cannabis hat lange vorher aufgehört.
Nun versteh ich auch nicht, warum dies einer Legalisierung im Weg stehen sollte, selbst wenn die Toten ausschließlich am Cannabis gestorben wären, was die Berliner Charité ja auch bestreitet, die ich persönlich für renommierter halte als die Düsseldorfer Uniklinik, selbst wenn also der Tod durch das Cannabis ausgelöst wurde - wie viele Menschen saufen sich täglich zu Tode? Wie viele sterben an den Spätfolgen des Rauchens? Wie viele sterben an Aspirin, an Erdnussallergien? Statistisch gesehen ist es immer noch wahrscheinlicher, beim Fallen aus dem Bett zu sterben.
Aber bin ich für eine Legalisierung von Gras? Wie es in Colorado zum Beispiel der Fall ist? Ich bin unschlüssig. Cannabis kann in den falschen, zu jungen Händen viel Schaden anrichten. Cannabis kann auch so Schaden anrichten, wie alles andere aber auch, dass man zuviel verwendet. Das Suchtpotenzial von Cannabis kommt, wie wissenschaftlich nachgewiesen wurde, nicht vom Cannabis selbst, sondern vom Tabak, vielmehr dem Nikotin, welches im Tabak enthalten ist. Wenn man also Knaster zum rauchen verwendet, hat man auch keine körperlichen Suchterscheinungen.
Psychische Suchterkrankungen sind da natürlich wahrscheinlicher, aber auch hier gilt wieder, dass man ebenso von Alkohol, Tabak, von Schokolade oder Fingernägelkauen süchtig werden kann. Man kann auch süchtig nach Onlinespielen sein. Wenn wir alles verbieten würden, was eine Abhängigkeit erzeugen könnte, könnten wir auch gleich wieder in Höhlen hausen.
Ich denke also, dass prinzipiell Cannabis keine großen Schäden anrichten kann. Außer eben bei jüngeren, doch auch das Jugendschutzgesetz zieht nicht, da ich selbst persönlich 5 Personen kenne, die noch unter 15 Jahren anfingen zu kiffen. Der Jugendschutz greift also so oder so nicht.
Das Cannabisverbot nutzt daher nur kriminellen Strukturen. Bei einer Legalisierung würde man Dealern die Grundlage entziehen, schädliche Stoffe im Cannabis, wie Blei, Haarspray oder ähnliches, um die Droge zu strecken oder schwerer zu machen, würden durch staatliche Kontrollen verhindert werden und somit das Konsummuster der Konsumenten gesünder gestalten. Dazu kommt außerdem die massiven steuerlichen Einnahmen, die Entkriminalisierung der Konsumenten und verminderte Belastung durch den Steuerzahler, da es wesentlich weniger Verbrechen und Inhaftierungen gäbe.
Dass die ganze Cannabisdebatte ohnehin absurd ist, zeigen viele Beispiele. In Bayern wurde ein Konsument wegen dem Besitz von 0.01g Cannabis vor Gericht gezerrt - Obwohl es die Möglichkeit gibt, das Verfahren bei geringen Mengen, auch unter Auflage einer Geldstrafe bei grenzwertigen Mengen, einzustellen.
Das Cannabis längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, zeigt der Sieg von Georg Wurth, dem Vorsitzenden des deutschen Hanfverbandes, einer Organisation zur Legalisierung von Gras, bei der Millionärswahl.
Cannabis sollte eine ähnliche Behandlung erfahren wie Alkohol. Auch wenn ich Alkohol ebenfalls nur noch in Spirituosenläden verkaufen lassen würde, und Cannabis in dafür zertifizierten Coffeeshops - wovon der erste deutsche ja bald in Berlin eröffnet wird, eben um die Kriminalität einzuschränken.
Jedem wäre damit geholfen, daran besteht kein Zweifel. Auch die Rechtfertigung, warum es bei uns noch verboten sein sollte, aber in Washington, Colorado, den Niederlanden und Urugay nicht, würde ich gerne hören. Sind diese Staaten/Länder etwa einfach nur bescheuert? Ich denke nicht, auch die werden abgewägt haben und zu dem Schluss gekommen sein, dass ein Verbot von Cannabis den selben Effekt hat wie die Alkoholprohibition in den Vereinigten Staaten Anfang des letzten Jahrhunderts. Gewaltige, mafiöse Strukturen, wie auch die Hells Angels und andere Gangs/Banden profitieren vom Schwarzmarkt, machen unversteuert Gewinne und sonst unbescholtene Bürger werden in die Kriminalität gedrängt. Namen wie Al Capone sind nur wegen dieser Prohibition so bekannt und berüchtigt.
Cannabis als Einstiegsdroge konnte bislang wissenschaftlich nicht bestätigt werden, doch auch so könnte man dem durch eine forcierte Drogenaufklärungpolitik im Stil der Drug Scouts Leipzig und anderen Organisationen entgegen wirken. Wenn man die Bevölkerung über ja durchaus gefährliche Drogen, wie MDMA, wie Kokain, Heroin und Konsorten aufklärt, könnten viele davon abgehalten werden, sie zu nehmen.
Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung wäre Pillreportzentren, wo man Tabletten wie Extacy abgeben und auf den MDMA Gehalt testen lassen kann, um sicher zu gehen, keine verunreinigten Stoffe zu bekommen, um die Leute, die konsumieren wollen, wenigstens eine sichere Basis zu liefern. Viele Menschen sind deshalb Drogentote, weil sie gepanschte Ware bekommen haben. Angebote wie Pillchecks und Pillreports, die in anderen Ländern angeboten werden, werden auch genutzt, warum nicht hier?
Ich bin nicht für die Legalisierung anderer Drogen außerhalb von Cannabis. Ich bin für die Entkriminalisierung des Besitzes LSD, da es keine Rechtfertigung gibt, warum LSD verboten ist - Es ist nachweislich körperlich nicht schädlich. Dennoch sollte jeder, der in der Öffentlichkeit damit aufgegriffen wird, bestraft werden, da er dadurch unmittelbar andere Leute gefährdet. Psychedelische Drogen sind nun mal unvorhersehbar, und bei einem Bad Trip/Horrortrip kann man zur Gefahr von sich und anderen werden.
Konsum in der Öffentlichkeit solcher Drogen sollte man daher verbieten. Ebenso den Handel, aber der Besitz einer Droge und der Konsum(wie es ja bereits der Fall ist) sollte erlaubt sein, sofern die Menge gewisse Werte nicht überschreitet. Jemand mit einem Kilo Koks zu Hause dealt damit auch und sollte dementsprechend bestraft werden.

Wenn diese Schritte umgesetzt werden würden, dann würde sich das Gesamtbild des Konsums in Deutschland verändern und vermutlich würde, ähnlich wie in den Niederlanden, zumindest der Konsum von Gras über die Jahre eher zurückgehen. Es würden den kriminellen Strukturen der Boden genommen und die Sicherheit der Konsumenten erhöht.

Klar sind Drogen wie MDMA, Speed, Methadon und die vielen RC's schädlich für den Körper, aber warum sollte man seinen Körper nur mit Alkohol und ähnlichen, breit akzeptierten Drogen kaputt machen dürfen? Ein Mensch sollte selbstbestimmt entscheiden dürfen, was er zu sich nimmt. Ich gehe jede Wette ein, dass durch die Liberalisierung des Drogenkonsums viele Alkoholstraftaten, wie Prügeleien oder Randale zurückgehen würden, da viele anderen Drogen eine empathogene Wirkung haben, keine destruktive. Zudem ist vielfach belegt, dass Alkohol zum Beispiel sehr viel schneller abhängig macht als die meisten anderen Drogen. LSD oder auch MDMA kann man nun mal nur alle paar Wochen konsumieren, da eben sonst die Wirkung ausbleibt, das selbe gilt für Psilos und andere.
Sachen wie Speed oder Koks machen nicht körperlich abhängig, zermürben diesen aber bei übermäßigen Konsum, ohne Zweifel. Viele verändern auch die Persönlichkeit, gerade bei Koks oder schwer abhängig machenden Sachen wie Meth oder Heroin. Da lässt sich auch durchaus ein Zusammenhang herstellen, da durch die Sucht die Beschaffung und die damit verbundenen Risiken schneller in Kauf genommen werden und diese dann eigene Hemmschwellen senken, Stichwort Beschaffungskriminalität.
Das ist natürlich ein Problem, aber gerade deswegen sollten Methadonprogramme und Hilfeangebote für Betroffene ausgeweitet werden, und nicht etwa der Kosument stigmatisiert werden.

Erst vor kurzem titelte eine britische Studie, dass der "War on Drugs" verloren sei, nichts zeigt das klarer als die Zustände in Mexico. Gerade deswegen müssen wir in der Gesellschaft sehr viel offensiver mit diesem Thema umgehen, Drogen entstigmatisieren, Hilfeangebote schaffen, Konsumenten entkirminalisieren und staatliche Ausgabestellen im Stil der Methadonkliniken schaffen, um nicht unsererseits von den Drogen erobert zu werden.
Denn eines darf man nicht vergessen: 10% des Welthandelsvolumens, dass heißt 10% ALLER Güter auf dieser Erde, sind Drogen. Drogen machen ein 10tel von allen auf dieser Erde aus, und dieser Zahl tritt man nicht mit schlichter Prohibition entgegen.

Dienstag, 25. Februar 2014

Infernus et Caelus #2

Er war nicht allein. Er befand sich in einem großen Raum, Rot gestrichene Wände strahlten eine behagliche Wärme aus, der Boden war mit weißem Teppich bedeckt. Das helle, warme Licht stammte von der Sonne, der Raum besaß kein Dach und über ihm war nur strahlend blauer Himmel.
Um ihn herum standen unzählige Betten, fein angeordnet in Reihen, bespannt mit weißen Bettlaken. Decken gab es keine. Auf jedem dieser Betten saß oder lag jemand, manche schliefen, so wie er es eben noch tat, manche hatten sich aufgerichtet und schauten verwirrt durch den Raum. Menschen aller Ethnien, Geschlechter und jeden Alters - abgesehen von Kindern - befanden sich hier, alles in allem mussten es etwa 100 sein. Langsam erhob er sich und setzte sich auf die Bettkante, die Füße berührten den flauschigen, warmen Teppich. Er fühlte sich wohl, ohne zu wissen, warum. Er spürte keinen Schmerz, er war wach, so wach fühlte er sich noch nie. Seine Hände, vielmehr seine Haut, die sonst von einer rauen Hornhaut überzogen waren, fühlten sich weich wie Seide an. Ihm fiel auf, dass er auch keine Brille mehr brauchte, die er seit seinem 7ten Lebensjahr trug.
Er hörte eine leise Stimme neben sich, ein junges Mädchen saß mit den Knien unterm Kind auf ihrem Bett und starrte ihn an. "Ich sehe... ich kann sehen...". Verständnislos blickte er zu ihr herüber, wollte die Stimme erheben, doch sie brach. Nach einem Räuspern fand er seine Stimme wieder. "Warum solltest du nicht sehen können?"
"Ich konnte noch nie sehen... ich war seit meiner Geburt blind. Warum kann ich sehen?"
Mit aufgerissenen Augen starrte sie umher, die blasse Haut schien wie Alabaster im warmen Sonnenlicht und ihre weit aufgerissenen Augen zuckten wild umher, bis sie auf seinem Gesicht haften blieben. "Wo sind wir? Was machen wir hier?" 
Erst jetzt fiel ihm auf, dass er keinerlei Erinnerungen daran hatte, wie er hier her gekommen ist. Mit Blick auf seine Kleidung, eine weiße Stoffhose und ein weißes T-Shirt, keine Socken oder Schuhe, er war barfuß, erwiderte er:
"Vielleicht sind wir in einem Krankenhaus.. Vielleicht hat man dich operiert. Hast du denn keine Erinnerung wie du hier her kamst?"
"Nein. Das letzte, woran ich mich erinnere war, dass ich in einem Auto saß. Ich weiß nicht mal in welchem, mit wem, oder wohin ich unterwegs war. Ich saß in dem Auto und dann wurde ich hier wach. Du?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht mal was vorher passiert ist." 
Er ließ den Blick schweifen. Niemand hier sah aus, als wäre er ein Arzt und jeder sah mindestens so verwirrt aus wie er. Manche lagen auf ihre Betten, unterhielten sich mit ihren Nachbarn, saßen nur apathisch da und starrten Löcher in die Luft, oder versuchten eine Tür zu finden, die es offensichtlich nicht gab.
"Du warst der letzte." Flüsterte das Mädchen leise.
"Was? Der letzte?" Sie senkte den Blick auf ihre Knie. "Der letzte der aufgewacht ist. Du hast Stunden geschlafen, man hat versucht, dich aufzuwecken. Aber es half nichts."
Er ließ den Blick wieder wandern, unschlüssig, was er mit dieser Information anfangen sollte. Ist er in einer Forschungseinrichtung? Wurde er entführt? Oder hatte er einen Unfall und das hier das Krankenhaus?
Er hatte kein Zeitgefühl, auch Mangels einer Uhr an den Wänden. Er betrachtete das Bett auf dem er lag genauer. Es war ein Bett aus hellem Holz, mit kunstvollen Schnitzereien von Fischen, Elefanten, Adlern und anderen Tieren an den Bettpfosten. Es hingen keine Krankenakten oder Namensschilder an den Betten, generell ließ nichts in dem Raum einen Schluss auf das zu, was passiert sein muss. Vor allem erklärte nichts das Fehlen der Decke.
Eine laute Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Mann, etwa doppelt so groß wie alle anderen im Raum war im Mittelpunkt des Saales aufgetaucht, es war unerklärlich wie, oder woher er kam. Er rief immer wieder laut "Achtung, bitte werden sie ruhig, ich bitte sie, bewahren sie bitte Ruhe und nehmen sie alle bitte Platz auf den dafür vorgesehenen Betten."
Seine Stimme klang genervt, aber auch routiniert, als würde er das alles öfter machen. Er hielt ein Klemmbrett in der Hand, das er eindringlich studierte und schien mit seinem Finger auf dem Klemmbrett herumzukritzeln.
Während er dies tat, bat er geistesabwesend immer wieder um Ruhe, ohne zu merken, dass mittlerweile Totenstille herrschte, niemand wagte es, die Forderungen des Hünen nach Ruhe zu ignorieren, denn auch wenn er bisher nur passiv im Raum stand, strahlte er eine unglaubliche Autorität aus. Das lag aber nicht nur an seinem äußeren Erscheinungsbild, die Autorität schien er sich einfach selbst zu verleihen. 
Genauer betrachtet, würde er selbst als Zwerg jeden Menschen sofort einschüchtern können. Seine Arme waren muskulös, was sich unter seinem weißen Gewand klar abzeichnete. Seine Haare waren von unglaublicher Länge, fast hingen sie auf den Boden, wild durcheinander, augenscheinlich ständig in Bewegung wie ein Fluss aus Gold. Seine Gesichtszüge waren hart und streng, doch zeugten sie auch von einer gewissen Weisheit und Intelligenz. Seine Stimme, die zugleich ruhig, doch eindringlich und dröhnend war, war tief und vermutlich hätte er mit einem einzigen Schrei einen Menschen zerfetzt.
Trotz dieser beeindruckenden und gewaltigen Erscheinung zeigte er unverhohlen sein Desinteresse, da er immer nur das Klemmbrett studierte, ohne auch nur einen Blick an die Anwesenden zu verschwenden.
Dann. senkte er das Klemmbrett und sprach mit lauter Stimme, die trotz der Lautstärke angenehm und vertrauensvoll klang zu den verwirrten Menschen im Saal.
"Jetzt wo wir alle wach sind, können wir also mit der Zeremonie beginnen."
Bei diesen Worten warf der Hüne ihm einen Blick zu. Mag auch die Statur und das Auftreten dieser Gestalt beeindruckend sein, so war es doch der Blick, seine Augen, die seine wahre Macht bezeugten. Es war, als würde man direkt in die Glut einer Esse schauen, wild, eine sich ständig ändernde Mischung aus gleißendem Gold und Purpurrot, voller Leben und von einer Durchdringlichkeit als würde er mit einem Blick jeden Menschen lesen können wie ein Buch.
"Zunächst entschuldigen wir uns für die allgemeine Verwirrung, vor ein paar Jahren war es auch noch üblich, dass alle zur selben Zeit aufwachen, aber aus technischen Gründen wurde dieses Verfahren eingestellt.
Ich bin Ramos. Ich bin ihr einziger Ansprechpartner hier. Wenn wir mit der Einführung fertig sind, und noch Fragen offen sind, stehe ich ihnen zur Verfügung, um ihnen eben jene Fragen so gut ich kann zu beantworten." Er ratterte diese Worte hinunter, als hätte er sie schon hunderte, nein, tausende Male gesagt. Und als würde ihn nichts mehr stören, als hier zu sein, und eben jene Worte sprechen zu müssen. Er fuhr fort:
"Ich muss ihnen leider zu unserem Bedauern mitteilen, dass sie alle in diesem Raum tot sind." Ein Raunen ging durch die Menge, erstickte Schreie, entsetzte Blicke, hysterisches Gelächter und ungläubige Blicke erfüllten den Raum. Ramos rief donnernd zur Ruhe auf, welche auch prompt eintrat.
"Sie haben richtig gehört, tot. In wenigen Minuten werden sie einige Papiere erhalten, die ihnen ihre Todesursache und die näheren Umstände dazu erläutern, außerdem bekommen sie, je nachdem auf welchem Bett sie sich gerade befinden, eine Nummer zu geteilt. Diese Nummer ist ihre Identifikationnummer hier, bitte vergessen sie sie nicht.
Die Erinnerungen an ihren Tod wurden aus ihrem Gedächtnis gelöscht, denn glauben sie mir, der ersten 1000 Jahre hier war das noch nicht Praxis, und das hat mehr als nur Ärger gebracht. Alle relevanten Informationen beziehen sie aus den Blättern, die sie gleich erhalten."

Sonntag, 23. Februar 2014

Mein Manifest

Das Leben rollt und rollt voran und ich rolle mit. Nichts passiert, was wichtig wäre, nichts passiert, was unwichtig wäre. Alles ist in einem Einklang. Ich fühle mich, als würde ich auf einem schmalen Grat wandern. Viele Entscheidungen wollen getroffen werden, viele Wege stehen mir offen, und ich weiß nicht, welche und wann ich sie beschreiten werden. Ich weiß nur eins, es geht immer weiter. Was auch kommt, ich lebe, atme, gehe. Die Wolken über mir, die Luft um mich herum und die Erde unter mir, ich gehe weiter. Wie mein Leben auch verlaufen wird, ich kümmere mich nicht mehr. Hauptsache ist, das ich mit mir zufrieden bin.
Vor Jahren stand ich an einem ähnlichen Punkt, als ich mich entscheiden musste, ob ich untergehe und aufgebe, ob ich zugrunde gehe am Leben. Doch damals stand ich auf, kämpfte und gewann, nur um postwendend weitere Niederlagen zu kassieren. Manchmal verwechselte ich Sieg und Niederlage, manchmal erkannte ich die Chancen nach einem Sieg nicht und oft lernte ich nicht aus den Niederlagen. Ich war damals nicht weit genug, um mein Leben vernünftig bewerten zu können. Irgendwann verlor ich die Schlacht und fiel. In Löcher, bodenlos, doch ich fing mich wieder und alles ging auf und ab, ein wogender Kampf der Mächte, Vivere militare est. Leben heißt kämpfen, leben heißt Krieg, das war mein Konzept. Ich kämpfte gegen alle Repressalien, gegen alles, was ich bekämpfenswert erachtete.
Aber der Krieg war nur in meinem Kopf. Er wütete, und hat auch langfristig viele Opfer gefordert. Ich habe aber gelernt, der Krieg zu beenden und bin ein Pazifist. Ich lasse mich treiben vom Leben. Das ist die wichtigste Lektion, die ich je gelernt habe. Kämpfe nicht gegen den Strom. Das Leben ist ein Fluss, manchmal schnell, manchmal langsam, manchmal tief, manchmal seicht. Er mäandert, er stürzt, er mündet und er entspringt irgendwo. Es gibt Brücken, er fließt mit anderen zusammen, bildet Nebenarme, mächtig und stark, mit dem Potenzial, vieles zu verändern.

Ich wuchs auf mit einem Vater, der Kapitalist ist. Er versuchte, mich dazu zu erziehen, das ich stehts viel erreiche, er versuchte mir beizubringen, dass sich der Erfolg im Leben nur durch Erfolg im Beruf und in Geld messen lässt, dass das zählt, was du geleistet hast. Dieser Meinung war ich nie, aber ich glaubte daran, das er Recht hatte, dass ich etwas im Leben schaffen muss, dass ich dann mit mir zufrieden wäre, dass andere mit mir zufrieden wären. Ich tat das mein ganzes Leben lang, aber ich wurde nicht glücklich. Ich wurde nie zufrieden mit mir. Ich bildete Persönlichkeiten aus, natürlich. Aber keine dieser Persönlichkeiten zeigte wirklich, wer ICH bin. Keine dieser Persönlichkeiten macht mich zufrieden oder füllte mich aus. Ich hetzte mich selbst, ich wollte schnell erwachsen werden und vor allem, ich wollte alles erzwingen. Ich wollte mich und meine Entwicklung erzwingen.
Ich hatte eine miserable Kindheit, die nur dann gut war, wenn ich nicht zuhause war. Noch heute kann ich nicht behaupten, mich von meiner damaligen Einstellung befreit zu haben, die so voller Hass auf alles war, Hass auf Menschen, Hass auf Rassen, Hass auf Leben, alles machte mich wütend und steckte mich sofort in Brand. In mir herrschte Krieg. Noch heute träume ich von Krieg. Ich träume von Panzern, von donnernden Geschützen und Bombenhagel, brennende Städte, tote Kinder, Soldaten, die sich gegenseitig im Kugelhagel niederstrecken, im Grabenkampf die Bajonette in leblose Körper stoßen, ich sehe wie Napalm die Gesichter von Frauen schmelzen lässt, ich sehe explodierende Gebäude, untergehende Schiffe und vergewaltigte Frauen. Ich sehe diese Bilder wenn ich die Augen schließe, ich sehe diese Bilder wenn ich träume, weil es für 7 Jahre das ist, was ich mir mehr als alles andere gewünscht habe: Tod, Zerstörung, Verzweiflung. Ich war 16, als ich zum ersten Mal fast einen Menschen getötet hätte. Ich ging nachts einen Feldweg entlang, als mir ein Fahrradfahrer entgegen kam. Ich griff in die Klinge meines Messers, der tiefe Schnitt und der Schmerz hielten mich davon ab, das Messer einfach in seine Kehle zu stoßen und das Leben aus diesem wertlosen Haufen Fleisch schneiden. Ich wollte nichts mehr als töten.
Ich stellte mir vor, wie ich Amok in der Schule laufen würde, wie ich in die Gesichter der Leute schieße, die ich hasse. Diese widerlichen Personen, die ich eigentlich nur hasste, weil sie glücklicher waren als ich. Glücklicher, weil sie dumm waren. Weil sie gar nicht kapierten, wie kaputt diese Welt ist, bzw. sich gar nicht darum kümmerten, wie kaputt sie ist.
Das war mein Leben. Geprägt von Erniedrigung, von Hass, Leid, jeder Menge Tränen und einem Hass in mir, den ich nicht in Worte fassen kann.
Doch ich kam unter Menschen, die mir zeigten, dass auch ein anderes Leben möglich ist. Ein Leben jenseits vom Hass.
Diese Menschen zeigten mir, dass ich eben eines habe, von dem ich immer dachte, sie würde mir davon rennen.

Ich habe Zeit.

Das ist eine wichtige Lektion, von der ich mir wünschte, ich hätte sie vorher gelernt. Ich werde vielleicht 80, vielleicht auch 100 Jahre lang leben, was machen da schon die paar Jahre, die ich nun dafür aufwende, mich endlich selbst zu finden, und endlich wissen zu wollen, wer ich bin. Zu lernen, wer ich sein will.
Diese Menschen, die mir zeigten, dass es Leute gibt, die mich so wie ich bin akzeptieren, die mich ermutigen, der zu sein, der ich bin, wie auch immer ich bin. Leute, die mich tatsächlich mochten, und bei denen ich mich wohl fühlte. Und ich lernte daraus, dass, wenn ich selbst so voller Hass bin, ich nicht zur Lösung beitrage. Ich muss, um diese Welt, die eh schon voller Hass und Missgunst ist, zu verbessern, Liebe, Zuversicht und Frieden in die Welt bringen. Es ist schwer, das ist richtig, aber es ist auch der einzige Weg, diese Welt in eine Welt zu verwandeln, in der ich leben kann. Klar, nur weil ich und einige anderen Philanthropen sind und wir unter uns eine Gemeinschaft bilden, die froh und friedlich ist, verbessert das nicht die Situation in der Ukraine und vielen anderen Staaten dieser Erde, aber diese Probleme tangieren mich ja derzeit auch gar nicht. Es verbessert meine Welt, die Welt, in der ich mich bewege, schlicht, es verbessert mein Leben. Und das ist es, worauf es ankommt.
Es gibt nur eine Person, die am Ende meines Lebens dort steht, und mich fragt, ob ich zufrieden mit mir bin, meinem Leben und was ich erreicht habe, und diese Person bin ich.
Erfolg im Leben misst sich eben nicht, wie mein Vater dies denkt, in Geld, Einfluss oder ähnlichem. Es misst sich in Glück, in Zufriedenheit, ob man sein Leben so geführt hat, wie man es möchte.
Es gibt Leute, die sich selbst wissend zugrunde ringen, die sich selbst aufgeben und sagen, es ist mir sowieso egal, was jetzt noch passiert.
Mir ist es auch egal, was mit mir passiert, aber nicht auf diese Weise. Mir ist es egal, weil ich weiß, dass ich irgendwann ankomme, weil ich das Beste aus jeder Situation machen werde und weil ich eines behalte, nämlich meine Einstellung, dass das Leben weitergeht, man aus jeder Situation lernen kann und dass jede Situation einfach deswegen richtig und gut ist, weil sie überhaupt da ist. Alles was ich erlebe, ist gut, weil ich es erlebe, denn mein Leben ist das wichtigste, was ich auf der Welt habe. Wer das nicht versteht, und aktiv sein Leben wegwirft, der hat das Leben auch nicht verdient.
Es hilft nichts, zu jammern. Es gibt Dinge, über die ich heute schlicht nicht mehr gerne rede, einfach weil sie nichts nützen und nur belasten. Wenn ich diesen Dingen den Rücken kehre, und ich von ihnen befreie, dann kann ich auch ohne Probleme weiterleben und muss mich nicht von Dingen runterziehen lassen, die ich nicht ändern kann.
Jeder, der nicht mit sich zufrieden ist, sollte den Grund dafür suchen und ihn eliminieren, denn sonst soll er sich auch nicht beschweren. Du fühlst dich zu dick, dann nimm ab. Wenn du es willst, kannst du es. Du gehst zu wenig aus? Dann geh halt, triff Leute, wenn du es willst, kannst du es und wirst es schaffen, auch ich tat das. Es ist eben nicht so schwer, wie man immer gerne tut, ich selbst war ja so, aber ich stellte fest, alles ist einfacher als zunächst angenommen.
Das Leben bietet extrem viele Facetten und Möglichkeiten für uns, es zu bewältigen. Wir müssen nicht wissen, wie wir es tun, denn irgendwie wird der Zufall und das Universum schon alles richten. Wir müssen nur drauf achten, wie es uns dabei geht.
Und ja, viele dieser Erkenntnisse hatte ich zweifellos durch Drogen, die eine größere Rolle in meinem Leben spielen, als ich je angenommen hätte, doch hat sich meine Lebensqualität dadurch einfach extrem erhöht.
Ich habe vieles gelernt, was ich nicht missen möchte.

Es gehört auch dazu, sich von Leuten zu trennen, Menschen zurück zu lassen, die noch nicht so weit sind, den Weg zu gehen, den man selbst geht. Aber wenn man auf der Strecke bleibt, unglücklich wird und nicht mehr voran kommt, dann muss man eben alte Bindungen lösen. Nach dem selben Prinzip gehen viele Freundschaften zu Ende, und das ist auch gut so. Es kommt der Zeitpunkt, wenn ein Mensch weiter gehen muss, in Richtung seines Glücks.
Und man darf auch falsche Entscheidungen treffen. Das gehört dazu, niemand macht alles richtig, und das ist auch gut so. Ich habe viele, sehr viele, ja, Unmengen an falschen Entscheidungen getroffen, doch die größte jemals, war jene, mir vorschreiben zu lassen, wie ich meinen Lebensweg plane. Ich bin, wie man mir einst so schön sagte, im entscheiden Jahrzehnt. Ich bin 20, das mag also durchaus richtig sein, ich stelle mir also meine Weichen für mein späteres Leben, doch warum sollte das für mich bedeuten, beruflich irgendwas zu erreichen? Ich kann auch noch mit 25 meine endgültige Entscheidung treffen, welche berufliche Laufbahn für mich die richtige ist, und es ist gut, dass es diese Möglichkeiten heutzutage gibt. Wir werden immer älter und arbeiten immer länger, daher brauche ich auch umso mehr Zeit, dieses Leben aufzubauen.Soll heißen, ich nehme mir die Zeit, ganz egal, was mein Umfeld oder die Gesellschaft von mir denkt. Es kommt nur auf mich an.
Ich darf niemanden schädigen, mit meinem verhalten, das ist klar. Ich darf nicht stehlen oder zerstören, sondern ich muss alles was existiert wertschätzen und jedes Leben ebenso. Ich muss also ein Leben führen, dass einerseits im Einklang mit seiner Umwelt ist und zugleich ichbezogen genug, um selbst ein lebenswertes Leben zu haben.
Jeder Mensch ist in sich wundervoll und hat viele und weitreichende Facetten, jeder Mensch hat eine eigene, spannende Geschichte, das zu lernen hat lange gedauert. Jene Menschen, die uns unsympathisch sind, sind anderen wiederum sehr sympathisch, das ist auch gut so. Jene Menschen, die sich dumm, falsch, wie auch immer verhalten, die werden ebenfalls ihren Grund haben. Der Mensch neigt dazu, nur eine Seite der Medaille zu betrachten, doch alles hat seine zwei Seiten, und oftmals kennt man die Geschichte hinter eines Menschen nicht, die ihn erst zu dem hat werden lassen, was er eben ist. So wie bei einem selbst auch.

Wenn ich nur durch die Gegend laufe und alles und jeder ist ein Arschloch, pisst mich an oder behandelt mich schlecht, dann liegt das Problem hochwahrscheinlich bei mir selbst.
Denn das Problem sind gar nicht alle Menschen an sich, sondern die Gesellschaft und die von ihr vorgeschriebenen Normen und Werte, die eben nicht den Werten entsprechen, die man meiner Ansicht nach haben soll. Aber diese Gesellschaft entsteht eben erst durch die paar wenigen, die die Gesetze, die Arbeitsbedingungen und all die anderen Fäden in der Hand halten. Der Kassierer ist meist genauso unzufrieden mit unserer Welt wie der Taxifahrer. Aber diese Leute sind eben schon daran gewöhnt, und es fällt ihnen nicht mehr auf, das rechtfertigt keinen Hass, das fordert Mitleid. Sie erkennen nicht, wie geil das Leben sein kann.

Und genau das ist es. Ich werde dafür sorgen, dass mein Leben immer so verläuft, dass ich so zufrieden wie nur möglich bin, egal, was da noch für Schlachten kommen. Ich kämpfe nicht. Ich akzeptiere, nehme hin und lebe weiter. Das ist mein Weg, mein Manifest, und ich kann es nur jedem Menschen empfehlen, es genauso zu machen.