Sonntag, 23. Februar 2014

Mein Manifest

Das Leben rollt und rollt voran und ich rolle mit. Nichts passiert, was wichtig wäre, nichts passiert, was unwichtig wäre. Alles ist in einem Einklang. Ich fühle mich, als würde ich auf einem schmalen Grat wandern. Viele Entscheidungen wollen getroffen werden, viele Wege stehen mir offen, und ich weiß nicht, welche und wann ich sie beschreiten werden. Ich weiß nur eins, es geht immer weiter. Was auch kommt, ich lebe, atme, gehe. Die Wolken über mir, die Luft um mich herum und die Erde unter mir, ich gehe weiter. Wie mein Leben auch verlaufen wird, ich kümmere mich nicht mehr. Hauptsache ist, das ich mit mir zufrieden bin.
Vor Jahren stand ich an einem ähnlichen Punkt, als ich mich entscheiden musste, ob ich untergehe und aufgebe, ob ich zugrunde gehe am Leben. Doch damals stand ich auf, kämpfte und gewann, nur um postwendend weitere Niederlagen zu kassieren. Manchmal verwechselte ich Sieg und Niederlage, manchmal erkannte ich die Chancen nach einem Sieg nicht und oft lernte ich nicht aus den Niederlagen. Ich war damals nicht weit genug, um mein Leben vernünftig bewerten zu können. Irgendwann verlor ich die Schlacht und fiel. In Löcher, bodenlos, doch ich fing mich wieder und alles ging auf und ab, ein wogender Kampf der Mächte, Vivere militare est. Leben heißt kämpfen, leben heißt Krieg, das war mein Konzept. Ich kämpfte gegen alle Repressalien, gegen alles, was ich bekämpfenswert erachtete.
Aber der Krieg war nur in meinem Kopf. Er wütete, und hat auch langfristig viele Opfer gefordert. Ich habe aber gelernt, der Krieg zu beenden und bin ein Pazifist. Ich lasse mich treiben vom Leben. Das ist die wichtigste Lektion, die ich je gelernt habe. Kämpfe nicht gegen den Strom. Das Leben ist ein Fluss, manchmal schnell, manchmal langsam, manchmal tief, manchmal seicht. Er mäandert, er stürzt, er mündet und er entspringt irgendwo. Es gibt Brücken, er fließt mit anderen zusammen, bildet Nebenarme, mächtig und stark, mit dem Potenzial, vieles zu verändern.

Ich wuchs auf mit einem Vater, der Kapitalist ist. Er versuchte, mich dazu zu erziehen, das ich stehts viel erreiche, er versuchte mir beizubringen, dass sich der Erfolg im Leben nur durch Erfolg im Beruf und in Geld messen lässt, dass das zählt, was du geleistet hast. Dieser Meinung war ich nie, aber ich glaubte daran, das er Recht hatte, dass ich etwas im Leben schaffen muss, dass ich dann mit mir zufrieden wäre, dass andere mit mir zufrieden wären. Ich tat das mein ganzes Leben lang, aber ich wurde nicht glücklich. Ich wurde nie zufrieden mit mir. Ich bildete Persönlichkeiten aus, natürlich. Aber keine dieser Persönlichkeiten zeigte wirklich, wer ICH bin. Keine dieser Persönlichkeiten macht mich zufrieden oder füllte mich aus. Ich hetzte mich selbst, ich wollte schnell erwachsen werden und vor allem, ich wollte alles erzwingen. Ich wollte mich und meine Entwicklung erzwingen.
Ich hatte eine miserable Kindheit, die nur dann gut war, wenn ich nicht zuhause war. Noch heute kann ich nicht behaupten, mich von meiner damaligen Einstellung befreit zu haben, die so voller Hass auf alles war, Hass auf Menschen, Hass auf Rassen, Hass auf Leben, alles machte mich wütend und steckte mich sofort in Brand. In mir herrschte Krieg. Noch heute träume ich von Krieg. Ich träume von Panzern, von donnernden Geschützen und Bombenhagel, brennende Städte, tote Kinder, Soldaten, die sich gegenseitig im Kugelhagel niederstrecken, im Grabenkampf die Bajonette in leblose Körper stoßen, ich sehe wie Napalm die Gesichter von Frauen schmelzen lässt, ich sehe explodierende Gebäude, untergehende Schiffe und vergewaltigte Frauen. Ich sehe diese Bilder wenn ich die Augen schließe, ich sehe diese Bilder wenn ich träume, weil es für 7 Jahre das ist, was ich mir mehr als alles andere gewünscht habe: Tod, Zerstörung, Verzweiflung. Ich war 16, als ich zum ersten Mal fast einen Menschen getötet hätte. Ich ging nachts einen Feldweg entlang, als mir ein Fahrradfahrer entgegen kam. Ich griff in die Klinge meines Messers, der tiefe Schnitt und der Schmerz hielten mich davon ab, das Messer einfach in seine Kehle zu stoßen und das Leben aus diesem wertlosen Haufen Fleisch schneiden. Ich wollte nichts mehr als töten.
Ich stellte mir vor, wie ich Amok in der Schule laufen würde, wie ich in die Gesichter der Leute schieße, die ich hasse. Diese widerlichen Personen, die ich eigentlich nur hasste, weil sie glücklicher waren als ich. Glücklicher, weil sie dumm waren. Weil sie gar nicht kapierten, wie kaputt diese Welt ist, bzw. sich gar nicht darum kümmerten, wie kaputt sie ist.
Das war mein Leben. Geprägt von Erniedrigung, von Hass, Leid, jeder Menge Tränen und einem Hass in mir, den ich nicht in Worte fassen kann.
Doch ich kam unter Menschen, die mir zeigten, dass auch ein anderes Leben möglich ist. Ein Leben jenseits vom Hass.
Diese Menschen zeigten mir, dass ich eben eines habe, von dem ich immer dachte, sie würde mir davon rennen.

Ich habe Zeit.

Das ist eine wichtige Lektion, von der ich mir wünschte, ich hätte sie vorher gelernt. Ich werde vielleicht 80, vielleicht auch 100 Jahre lang leben, was machen da schon die paar Jahre, die ich nun dafür aufwende, mich endlich selbst zu finden, und endlich wissen zu wollen, wer ich bin. Zu lernen, wer ich sein will.
Diese Menschen, die mir zeigten, dass es Leute gibt, die mich so wie ich bin akzeptieren, die mich ermutigen, der zu sein, der ich bin, wie auch immer ich bin. Leute, die mich tatsächlich mochten, und bei denen ich mich wohl fühlte. Und ich lernte daraus, dass, wenn ich selbst so voller Hass bin, ich nicht zur Lösung beitrage. Ich muss, um diese Welt, die eh schon voller Hass und Missgunst ist, zu verbessern, Liebe, Zuversicht und Frieden in die Welt bringen. Es ist schwer, das ist richtig, aber es ist auch der einzige Weg, diese Welt in eine Welt zu verwandeln, in der ich leben kann. Klar, nur weil ich und einige anderen Philanthropen sind und wir unter uns eine Gemeinschaft bilden, die froh und friedlich ist, verbessert das nicht die Situation in der Ukraine und vielen anderen Staaten dieser Erde, aber diese Probleme tangieren mich ja derzeit auch gar nicht. Es verbessert meine Welt, die Welt, in der ich mich bewege, schlicht, es verbessert mein Leben. Und das ist es, worauf es ankommt.
Es gibt nur eine Person, die am Ende meines Lebens dort steht, und mich fragt, ob ich zufrieden mit mir bin, meinem Leben und was ich erreicht habe, und diese Person bin ich.
Erfolg im Leben misst sich eben nicht, wie mein Vater dies denkt, in Geld, Einfluss oder ähnlichem. Es misst sich in Glück, in Zufriedenheit, ob man sein Leben so geführt hat, wie man es möchte.
Es gibt Leute, die sich selbst wissend zugrunde ringen, die sich selbst aufgeben und sagen, es ist mir sowieso egal, was jetzt noch passiert.
Mir ist es auch egal, was mit mir passiert, aber nicht auf diese Weise. Mir ist es egal, weil ich weiß, dass ich irgendwann ankomme, weil ich das Beste aus jeder Situation machen werde und weil ich eines behalte, nämlich meine Einstellung, dass das Leben weitergeht, man aus jeder Situation lernen kann und dass jede Situation einfach deswegen richtig und gut ist, weil sie überhaupt da ist. Alles was ich erlebe, ist gut, weil ich es erlebe, denn mein Leben ist das wichtigste, was ich auf der Welt habe. Wer das nicht versteht, und aktiv sein Leben wegwirft, der hat das Leben auch nicht verdient.
Es hilft nichts, zu jammern. Es gibt Dinge, über die ich heute schlicht nicht mehr gerne rede, einfach weil sie nichts nützen und nur belasten. Wenn ich diesen Dingen den Rücken kehre, und ich von ihnen befreie, dann kann ich auch ohne Probleme weiterleben und muss mich nicht von Dingen runterziehen lassen, die ich nicht ändern kann.
Jeder, der nicht mit sich zufrieden ist, sollte den Grund dafür suchen und ihn eliminieren, denn sonst soll er sich auch nicht beschweren. Du fühlst dich zu dick, dann nimm ab. Wenn du es willst, kannst du es. Du gehst zu wenig aus? Dann geh halt, triff Leute, wenn du es willst, kannst du es und wirst es schaffen, auch ich tat das. Es ist eben nicht so schwer, wie man immer gerne tut, ich selbst war ja so, aber ich stellte fest, alles ist einfacher als zunächst angenommen.
Das Leben bietet extrem viele Facetten und Möglichkeiten für uns, es zu bewältigen. Wir müssen nicht wissen, wie wir es tun, denn irgendwie wird der Zufall und das Universum schon alles richten. Wir müssen nur drauf achten, wie es uns dabei geht.
Und ja, viele dieser Erkenntnisse hatte ich zweifellos durch Drogen, die eine größere Rolle in meinem Leben spielen, als ich je angenommen hätte, doch hat sich meine Lebensqualität dadurch einfach extrem erhöht.
Ich habe vieles gelernt, was ich nicht missen möchte.

Es gehört auch dazu, sich von Leuten zu trennen, Menschen zurück zu lassen, die noch nicht so weit sind, den Weg zu gehen, den man selbst geht. Aber wenn man auf der Strecke bleibt, unglücklich wird und nicht mehr voran kommt, dann muss man eben alte Bindungen lösen. Nach dem selben Prinzip gehen viele Freundschaften zu Ende, und das ist auch gut so. Es kommt der Zeitpunkt, wenn ein Mensch weiter gehen muss, in Richtung seines Glücks.
Und man darf auch falsche Entscheidungen treffen. Das gehört dazu, niemand macht alles richtig, und das ist auch gut so. Ich habe viele, sehr viele, ja, Unmengen an falschen Entscheidungen getroffen, doch die größte jemals, war jene, mir vorschreiben zu lassen, wie ich meinen Lebensweg plane. Ich bin, wie man mir einst so schön sagte, im entscheiden Jahrzehnt. Ich bin 20, das mag also durchaus richtig sein, ich stelle mir also meine Weichen für mein späteres Leben, doch warum sollte das für mich bedeuten, beruflich irgendwas zu erreichen? Ich kann auch noch mit 25 meine endgültige Entscheidung treffen, welche berufliche Laufbahn für mich die richtige ist, und es ist gut, dass es diese Möglichkeiten heutzutage gibt. Wir werden immer älter und arbeiten immer länger, daher brauche ich auch umso mehr Zeit, dieses Leben aufzubauen.Soll heißen, ich nehme mir die Zeit, ganz egal, was mein Umfeld oder die Gesellschaft von mir denkt. Es kommt nur auf mich an.
Ich darf niemanden schädigen, mit meinem verhalten, das ist klar. Ich darf nicht stehlen oder zerstören, sondern ich muss alles was existiert wertschätzen und jedes Leben ebenso. Ich muss also ein Leben führen, dass einerseits im Einklang mit seiner Umwelt ist und zugleich ichbezogen genug, um selbst ein lebenswertes Leben zu haben.
Jeder Mensch ist in sich wundervoll und hat viele und weitreichende Facetten, jeder Mensch hat eine eigene, spannende Geschichte, das zu lernen hat lange gedauert. Jene Menschen, die uns unsympathisch sind, sind anderen wiederum sehr sympathisch, das ist auch gut so. Jene Menschen, die sich dumm, falsch, wie auch immer verhalten, die werden ebenfalls ihren Grund haben. Der Mensch neigt dazu, nur eine Seite der Medaille zu betrachten, doch alles hat seine zwei Seiten, und oftmals kennt man die Geschichte hinter eines Menschen nicht, die ihn erst zu dem hat werden lassen, was er eben ist. So wie bei einem selbst auch.

Wenn ich nur durch die Gegend laufe und alles und jeder ist ein Arschloch, pisst mich an oder behandelt mich schlecht, dann liegt das Problem hochwahrscheinlich bei mir selbst.
Denn das Problem sind gar nicht alle Menschen an sich, sondern die Gesellschaft und die von ihr vorgeschriebenen Normen und Werte, die eben nicht den Werten entsprechen, die man meiner Ansicht nach haben soll. Aber diese Gesellschaft entsteht eben erst durch die paar wenigen, die die Gesetze, die Arbeitsbedingungen und all die anderen Fäden in der Hand halten. Der Kassierer ist meist genauso unzufrieden mit unserer Welt wie der Taxifahrer. Aber diese Leute sind eben schon daran gewöhnt, und es fällt ihnen nicht mehr auf, das rechtfertigt keinen Hass, das fordert Mitleid. Sie erkennen nicht, wie geil das Leben sein kann.

Und genau das ist es. Ich werde dafür sorgen, dass mein Leben immer so verläuft, dass ich so zufrieden wie nur möglich bin, egal, was da noch für Schlachten kommen. Ich kämpfe nicht. Ich akzeptiere, nehme hin und lebe weiter. Das ist mein Weg, mein Manifest, und ich kann es nur jedem Menschen empfehlen, es genauso zu machen.

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