Dienstag, 12. November 2013

Nun ist es doch eine Interpretation geworden.

Ein Lied das mich im Moment sehr fasziniert:


Ich weiß nicht, ob es nur am THC liegt, aber irgendwie habe ich das starke Bedürfnis, dieses Lied zu interpretieren. Klar nimmt man mit Interpretationen den Dingen immer ein wenig den Zauber, da es doch viel schöner ist, einfach nur eine ungefähre Ahnung von dem zu haben, was eigentlich damit ausgesagt werden will. Vor allem da doch eigentlich klar werden sollte, was dieses Lied ausdrücken soll, schon in den ersten paar Zeilen des Textes:

Ich brauch einen Freund mit weiten Armen
Ich brauch einen Freund, der kein Erbarmen kennt[...]

Das ist auch vollkommen das Leitbild, das im Text beibehalten wird. Der Interpret singt fortwährend von dem Verlangen nach einem Freund.
Daher ist das eigentliche Interesse an diesem Lied dadurch begründet, das man herausfinden will, in welcher Situation sich die Dame befindet, die uns hier mit ihrer Stimme gefangen nimmt. Sie befindet sich anhand der Bilder, die sie nutzt, um ihren eigenen Gemütszustand zu beschreiben, in ganz offensichtlich keiner guten Verfassung.



[...]Der mich zu Boden ringt, ich tob und rase[...]
[...]Ich bin schon zu weit hier draußen[...]

Und das sind nur einige wenige Beispiele. Ob diese prekäre Situation ihrerseits psychisch oder physischer Natur ist, ist eigentlich der Spekulation geschuldet. Aber man kann schnell den Eindruck gewinnen, dass es psychischer Natur ist, allein an dem Satz:

[...]Ich brauch eine Bahre, Blaulicht und Sirenen[...]

Das klingt nach Unfall, Selbstmordversuch und ähnliche Umstände. Auch ein Beispiel dafür ist

[...]Und dort erst auf der Schwelle will ich verbluten[...]

Während man den ersten hier als Beispiel angeführten Satz auch noch anders interpretieren kann, worauf ich gleich eingehe, ist dieser Satz durchaus sehr eindeutig und symbolisiert in meinen Augen einen gewissen Todeswunsch. Aber ich denke nicht, dass dieser Todeswunsch tatsächlich der verebbte Wille zu Leben ist, sondern eher eine Art innere Einsamkeit die sich auch mit dem Satz "Lieber sterbe ich, als allein zu sein" umschreiben lässt. In meinen Augen wird das deutlich an der gleich darauf folgenden Zeile, die da lautet:

[...]Wenn ich still bin, soll der Regen jede Zelle fluten[...]

Die Stille des lyrischen Ichs ist natürlich ein Sinnbild für das Sterben, soeben verstorben sein, wenn man meine vorangegangene Interpretation anführt. Den Regen verbindet man oft mit Tristesse, mit Eintönigkeit, Trauer und schlechten Zeiten. Oder ganz einfach mit Tränen, und ich denke, dass diese Sichtweise an dieser Stelle angemessen ist, denn diese Zeile sagt eben aus, das der Interpret nichts anderes möchte als jemanden, der um ihn weint. Diese Zeile drückt die Einsamkeit ist, die sich schon in den ersten Zeilen niederschlägt, man sucht einen Freund, jemand, der ihn vermissen würde.
Das ist also eines der Kriterien, die eben jener gewünschter Freund erfüllen muss. Und in diesem Zusammenhang gewinnt die obige Zeile mit den Sirenen eine, wenn schon nicht eine gänzlich andere, Doppeldeutigkeit. Die junge Dame will eben nicht unbedingt, das echte Blaulichter und Sirenen nötig sind, doch sie wünscht sich jemanden, der eben jenen Rummel um sie macht, wenn es ihr schlecht geht.
Diese Doppelbedeutung zieht sich durch den gesamten Text. 

[...]Ein Tuch mit Äther über Mund und Nase[...]
[...]Ich brauch einen Schuss Feuer in meine Venen[...]

Äther, ein Betäubungsmittel. Die meisten würden es mit Bedrohung oder Gefahr verbinden, von Äther betäubt zu werden, hier will die Interpretin Beruhigung und Sicherheit vermitteln, das entschwinden aus der Realität und den damit verbundenen Sorgen. "Ein Schuss" in "meine Venen", das deutet auf Drogenkonsum hin, Abhängigkeit von einem Stoff oder einem Zustand, der "Feuer" zurückbringt, Lebenswillen, Mut und Kraft weiter zumachen. Hier eindeutig bezogen nicht auf einen Stoff, sondern eine Person, die noch nicht vorhanden ist. Wir halten also fest, die Dame in dem Lied braucht jemanden, der ihr den Lebenswillen zurückgibt, sie will nicht ohne weiterleben, denn sie fühlt sich alleine und verloren. Sie weiß selbst nicht ganz, was sie für sich selbst braucht, da sie vermutlich mit der Situation in sich selbst nicht zurecht kommt, und daher auch jemanden braucht, der sie, notfalls mit (sanfter?) Gewalt, aus ihrer Situation befreit, vergleichen wir folgende Zeilen:

[...]Ich brauche tiefste, schwarze Nacht hinter meinen Liedern[...]
[...]Ich brauch, ich brauch, ich brauche Licht[...]

[...]Komm und trag mich, schlag mich nieder[...]

Doch wohin möchte sie getragen werden? Nach Hause, das wird oftmals betont. Zu Hause, das verbindet man mit Heimat und Sicherheit. Vielleicht auch eine Abkapselung von der Realität, denn im Refrain betont sie ja, das sie zu lang "hier draußen" ist. Hier draußen kann man natürlich wörtlich verstehen, dann könnte man auch annehmen, dass die Protagonistin lediglich eine junge Frau ist, die im ärgsten Winter draußen sitzt und friert, aber vermute ich jedoch eher, dass als "draußen" das sprichwörtliche "draußen in der Welt" sein gemeint ist, das Leben in der oft stressigen und schnelllebigen Welt.

Bleiben noch zwei Dinge abschließend zu bemerken. Die vierte Strophe darf man als besonders essentiell betrachten, da sie das Motiv der Protagonistin am tiefgehensten beschreibt, und noch dazu aus nur zwei Versen besteht, und sich somit auch optisch vom restlichen Text abhebt. Hier erfährt man das tiefgehende, oben beschriebene Bedürfnis nach jemanden, der um sie weint. Jemand, in ihrem Leben, dem sie wichtig ist.
Außerdem scheint es eine Art zeitlichen Ablauf zu geben, zu bemerken in den jeweils ersten Zeilen des Refrain. Vergleiche:

[...]Ich brauch, ich brauch, ich brauche Licht[...]
[...]Ich brauch, ich brauch, ich brauche nichts[...]

Scheinbar hat sie am Ende einen Freund gefunden, da sie nichts mehr braucht, ihre Wünsche sind also erfüllt worden. Sie scheint damit ein Stück weit ihr Glück gefunden zu haben, wie wir an dieser letzten Zeile nochmal feststellen können:

[...]Ich bin nicht still genug.

Das zeigt, dass sie zufrieden mit dem jetzt anhaltenden Zustand ist, und das er sich fortsetzen soll.

Wir können jetzt natürlich die anfängliche Frage über die Situation der Protagonistin leicht beantworten. Aber ich denke, dieses Bild, das sollten wir uns dann doch selbst machen, denn dieses Gefühl kennen sicher viele. Manche vielleicht zu gut.

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