Montag, 21. April 2014

Flowers and Herbs

Nachdem Tannengrund vorbei war, hab ich erstmals die Auswirkungen von Goa auf mein Leben in ihrer Gesamtheit reflektiert. Ich betrachtete intensiv die Entwicklungen, die ich in den letzten Monaten gemacht habe. Und ich rief mir auch nochmal in Erinnerung, vorsichtig zu sein.
Ich stellte fest, dass Goa mir gut tat, da ich auf eine heilsame Art an die Gesellschaft von Menschen gewöhnt wurde, was mir zuvor stets eher schwer fiel. Ja, ich freute mich zum Teil sogar darauf, Menschen zu treffen. Entgegen jeder Art von mir, die ich zuvor innehatte, lächelte ich Menschen an, war freundlich und mitfühlend. Ich entdeckte eine ganz neue Art, Menschen zu begegnen. Nämlich nicht als heuchlerische, falsche Kreaturen, die sich, andere und ihren Planeten aussaugen und vernichten, sondern als Menschen, die sich aus den Augen verloren haben, die nicht mehr wissen, wer sie sind. Die verlernt haben, glücklich zu sein, so wie ich es tat. Menschen, die einfach nicht wissen, was für Wunder die Welt für uns bereit hält. Manche wollen auch gar nicht erinnert werden. Manche können nicht über ihren Schatten springen. Aber auch für diese Menschen hatte ich nur Mitleid übrig.
Ich fieberte nach Tannengrund natürlich Wonderland entgegen, und damit auch meinem ersten LSD-Trip. Ich wusste, was mich bei LSD erwarten würde, da ich mich vorab eingehend damit beschäftigt habe. Doch auch aus den Erzählungen anderer wusste ich, dass meine Pilzerfahrung nicht der Gipfel meiner psychedelischen Reisen sein konnte. Ich wusste, nein ich spürte, dass Pilze die Substanz dessen, was Psychedelika für eine Macht haben, gerade mal angekratzt hat. Pilze sind, so war ich damals schon der Überzeugung, eher eine hedonistische Droge. Große Geistige Erkenntnisse haben mir noch keine meiner Pilztrips gebracht, was aber vielleicht auch am Setting gelegen haben kann. Manch einer kann sicher ähnliche Lehren aus den Pilzen ziehen wie ich aus LSD. Doch auch in ihrer Beschaffenheit unterscheiden sich die Drogen, wie ich nach Wonderland konstatierte. Während ich auf die Wirkungen von LSD gleich näher eingehen werde, sind Pilze in ihren Optics sehr viel organischer. Ich sehe Dinge nicht morphen oder schimmern, nicht so wie bei LSD zumindest, sondern sich zu anderen Dingen verformen, man sieht Gesichter, die nicht da sind zum Beispiel. Einmal war ich davon überzeugt, das Haie in einem Baum schwammen, dass Kinder auf einer Treppe liegen, oder das Dixi-Klos Soldaten sind. Derartiges hat man bei Acid nicht. Vielleicht lenkt diese Vielfalt an visuellen Eindrücken mich auch nur zu stark von der inneren Arbeit der Pilze ab. Ich vermag das noch nicht zu beurteilen.
Der Plan war also, auf Wonderland anzukommen, das Zelt aufzubauen, und sich einen Tropfen Acid zu geben. Dieser Plan wurde auch strikt umgesetzt.
Ich erinnere mich an diesen Tag als wäre es gestern. Wir kamen am Eingang an und erhielten unsere Bändchen, dann machten wir uns auf den, doch relativ langen, Weg zum Camp. Auf dem Weg traf ich einen jungen Mann, der extra aus Norwegen hergekommen war, um hier mit uns zu feiern. Diese Abenteuerlust hat mich schwer beeindruckt.
Je weiter man ins Lager kam, umso weiter entfernte man sich vom Alltag und seinen lächerlichen Konventionen. Erwachsene Menschen, die ausgelassen mit Seifenblasen spielten, die sich mit völlig fremden unterhielten, eine allumfassende Liebe und ein noch umfassenderer Friede.
Das Zelt aufgebaut zu bekommen war wahrlich ein Ding der Unmöglichkeit, und das, wo wir noch nüchtern waren. Aber wir schafften es nach einigen Anläufen dann doch.
Gleich danach wurden 4 Teile und ein Tropfen Acid gekauft. Der Dealer war, wie ich heute erkannte ein Acidhead. Woher ich das weiß? Er sah genauso aus wie ich heute. Ein einziges psychedelisches Kunstwerk.
Danach gingen wir uns erstmal den legendären Waldfrieden anschauen. Und all das, was man sich erzählte, war wahr. Der Waldfrieden ist der Mittelpunkt des Friedens, ein Schmelztiegel der Vibes und der fröhlichen Menschen. Mögen die Lasershows und Effekte die Nacht noch so psychedelisch machen, so ist doch die bloße Natur, und davon gibt es im Waldfrieden reichlich, die wahre Schönheit dort.
Ich versuchte auf dem Backyardfloor zu tanzen, doch Minimal ist nüchtern nicht unbedingt meine erste Wahl, daher chillten wir die meiste Zeit auf der Wiese. Vom LSD merkten wir erstmal nichts, wir entschlossen also, fix eine Decke zum drauf sitzen zu holen. Doch schon auf dem Weg zum Zelt, ja, wir waren gerade mal 100 Meter gelaufen, merkte ich schon etwas anfluten. Als würden meine inneren plötzlich anfangen zu beschleunigen, und eine Kraft in mir, die meine Schritte federleicht werden ließ. Eine sich aufbäumene Glückseeligkeit aus dem Sonnengeflecht heraus, ein Gefühl, als seien Kilo schwere Gewichte von meinen Schultern gefallen. Auf dem Rückweg beeilten wir uns, wir merkten, wir mussten uns hinsetzen, sonst haut es uns so aus den Socken.
Ich kriege bis heute nicht ganz auf die Reihe, wie die ersten Stunden meines Acidtrips abliefen. Die Welt fing an lebendig zu werden. Abgesehen davon das ich unablässig am Lachen war, ich völlig gebannt auf meine Hände starrte, sah, wie das Blut in ihnen zirkulierte, wie sie zu atmen schienen, weiß ich nur noch, dass ich mich mit den Wolken unterhalten habe. Ich habe, was weiß ich wie lange, in den Himmel gestarrt, die Wolken betrachtet und mit ihnen gesprochen. Über was? Das weiß ich nicht mehr, aber ich konnte meinen Blick dennoch nicht abwenden.
Einer der Augenblicke, die mir am ehesten in Erinnerung blieb, war mein Gang zum Zelt. Ursprünglich wollte ich einfach nur ein Brötchen holen - ich hatte eine Brötchentüte mitgebracht - und dann zurück aufs Festivalgelände. Ich bin auch gut zum Zelt gekommen, aber das Brötchen aß ich schon auf dem Weg zum Gelände auf, also kehrte ich direkt vorm Eingang nochmal um und lief zurück, denn ich wollte ja ein Brötchen essen. Ob ich wirklich VERGESSEN habe, dass ich schon eins gegessen habe, oder nur noch mehr Hunger hatte, ich weiß es absolut nicht. 5-6 Mal zog ich das ganze durch, traf Vlad zwischendurch, der sich noch heute darüber amüsiert. Auch Bernd, mein Goabuddy und ständige Begleitung, hatte in der Zwischenzeit seine Abenteuer erlebt, Belgierinnen, die deutsch von ihm lernen wollten, zum Beispiel.
Ich weiß noch, wie ich infernalisch gekichert habe, als eine Minimal/Psychedelic-Variante des Cantinabandklassikers gespielt wurde, und dann endlich der Mainfloor eröffnete. Diese Menschenmassen, die über die Hügel des Waldfrieden strömten, die sich auf den Floor stürzten und ebenso wie ich sehnsüchtig auf die ersten Bässe warteten. Es waren Tausende, die alle im selben Moment anfingen zu tanzen, springen und zu hüpfen. Gewaltiger Bass und massive Klänge erhoben sich über den Wald, als ca. 6000 Menschen anfingen, die Erde erbeben zu lassen.
Auf Tannengrund habe ich mich noch über die Art, wie einige Leute tanzen, gewundert. Teils in absurden Verkrümmungen, bewegten sie sich scheinbar um Gegenstände die in der Luft zu schweben schienen, herum, bewegten sich wie Schlangen. Doch nun verstand ich es. Acid nimmt dich noch viel mehr als MDMA mit und lässt dich tanzen, ob du willst oder nicht. Es bewegt den Körper so wie es das möchte, und bis heute hätte ich nie gedacht, dass ich mich so verbiegen könnte wie da. Ich erlebte ein völlig neues Körpergefühl, ich lernte ihm ganz anders bewusst zu werden.
So wie andere Leute ihren Körper beim Sport entdecken, entdeckte ich ihn beim tanzen.
Ab hier verschwimmen die nächsten Stunden, sinnlos, sich wirklich einem Ablauf bewusst zu werden. Die Stunden vergingen im Rausch, Erinnerungsfetzen allenfalls. Der Dealer, der mir Teile andrehen wollte - womöglich noch weiße Diamanten... Oder meine Abwesenheit für 5 Minuten, die immer wieder völligen Aussetzer und dem Entkoppeln aus der realen Welt, die feuerspuckende Quile oder die irgendwann bleierne Müdigkeit. Irgendwann haben wir noch ein halbes Teil gespackt, aber zwischen 5 und 6 wankten wir ins Zelt.
Das Problem bei Goafestivals ist, dass man nicht viel Schlaf bekommt. Es ist kalt, es ist ungemütlich, laut und man muss alle 5 Minuten auf Klo.
In der zweiten Nacht haben wir das besser hinbekommen, aber das ist eine andere Geschichte.

Der erste Tag... Rückblickend muss ich sagen, dass wir alles falsch angefangen haben. Das Acid am ersten Tag zu nehmen, war nur geborgte Kraft vom nachfolgenden Tag. Acid ist zum chillen eher geeignet als MDMA, aber es erschöpft dennoch stark.
Dennoch ist dieser Tag auch der Tag, der mein Leben endgültig verändert hat. An dem ich neu geboren wurde, auch wenn ich mir dessen erst einige Tage später, auch im Dialog mit Bernd, klar wurde. 
Ich habe mich an diesem Tag unzählige Male verliebt. In Mädchen, in Frauen, in Farben, in Klänge, in die Natur, in mich, doch am meisten in LSD. LSD hat mir die Augen geöffnet wie noch keine Droge zuvor. Und jene Initialdosis, die erst der Anfang meiner Laufbahn war, hat mir noch auf Wonderland einige Dinge gänzlich ausgetrieben. All der Menschenhass, der noch in mir weilte, war endgültig fortgespült. Der Blick von den Hängen, runter auf das wogende Meer aus Menschen und elektronischer Musik, hat mir die Liebe für jeden Menschen auf der Erde wieder gebracht. Ich habe meinen spirituellen Führer und meinen Gott gefunden, meinen Meister und mein Werkzeug. Acid hat mich zu einem guten Menschen gemacht.

Der Samstag und die darauffolgenden Ereignisse kommen im nächsten Post.

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