Donnerstag, 14. Januar 2021

Der Berg ruft

Gelegentlich dichte ich. Und weil ich dazu neige, Dinge zu verlieren, werde ich in kommenden Tagen/Wochen mal zusammen suchen, was ich bisher so dichtete, und es hier sammeln. 

Ich beginne mit meinem Magnum Opus - Der Berg ruft. 


Hörst du den Berg rufen?
Ich schon, also komm in die Hufen!
Lange war der Weg versperrt,
Nun wird er mit Anwesenheit beehrt.

Weit haben wirs nicht, sollt das nicht locken,
regnen wird's nicht, ist‘s sonnig und trocken.
Gesagt, getan - denn der Berg ruft,
drum wird er heut besucht.

Aufgemacht, die Tür verschlossen,
heute wird nur scharf geschossen.
Den Fuß kaum hinausgesetzt,
haben UV-Strahlen mir die Haut zerfetzt.

"Naja, jetzt ist drauf gepfiffen",
Sag ich und blicke an mir runter
das Hautpapier komplett zerrissen
Und nichts als Kohlen drunter.

Vornehme Blässe? Wen kümmert sowas schon!
Ich werde jetzt ein Südseekannibalensohn.
"Was nicht tötet, härtet ab!", ruf ich triumphierend
Und dem Tod entkam ich knapp, ein Auto fast touchierend.

Woher es kam, das sah ich nicht;
Schmolz grad das Auge aussem Xicht.
Geblendet vom ewigen nuklearen Feuer,
Einem tosenden, brennenden Ungeheuer
Das ein Depp mal "Sol" genannt,
Als Gott verehrt in irgendeinem Land
- aus Sand.

Doch meine Ohren hören und hören gut
Das der Berg mich noch immer rufen tut.
„Nagut“ sag ich und „lass mal stecken!
An der Natur wird man sicher nicht verrecken!“
Und so lass ich meine Erinnerung den Pfad suchen,
denn der verdammte Berg, er hört nicht auf zu rufen.


Und so halte ich ein Zwiegespräch mit mir,
vergleich‘ mit einem Brief, im Kopf, auf Papier.
Oder eine Serie von Briefen
mit Rändern und Serifen,
mit Höflichen „Sies“ und „Ihre“
„S‘ Befinden stets?“ – „Ich friere!“
„Sie frieren hier?“ – „Ja, ists denn wohl Ihr Bier?“

„Ne, das isses wahrlich leider nicht.
Meine Meinung fällt wohl auch nicht ins Gewicht?“

„Das haben Sie allzu gut verstanden, werter Mann!
Ich frag mich ob man ihr Befinden raten kann?“

„Den Versuch kann ich nicht nehmen,
allerdings nicht viel drauf geben,
von Ratekünsten halt ich wenig,
den Künstler allzu überheblich.“

„Es hat ja nichts mit Kunst zu tun,
Sie dreikäsehoher Hurensohn!
Ich bin Sie, im Kopfe drin,
von dem Typ, nichts als Gespinn!“

„Wohl an, wohl wahr, da haben Sies,
meine Antwort war wohl fies,
weil ich die Frage zu bequemlich
und meiner allzu ähnlich,
unnütz fand und redundant.“

Ist das so? Ich frag Sie dann,
wie gut kommen wir voran?
Es sind hundert Meter, vielleicht zehn noch drauf,
dreitausendsiebenhundert plus Stufen folgen noch darauf!
Worauf wollen Sie wohl raus?“ – „Kommen Sie noch nicht drauf?
Ich weiß es wohl, weil Sie es wissen!“ –
Man hat ihm ins Gehirn geschissen!

Der letzte Satz, der kam von anderswo,
wo bitte war ein Kopf ein Klo?
Ein Passant mit entsetzten Blicken,
hör die Augen planlos klicken –
er verstand wohl nicht, das ab und zu,
wenn man glaubt man sei in aller Ruh,
das dies und jene auch mal laut ausspricht,
ich sehe halt auch nicht ohne mein Gesicht.

Langsam gewöhnt sich die geschundene Netzhaut
an die sengenden Todesstrahlen, wer hätt‘s geglaubt.
Nun sehe ich wieder und kann sicher schreiten
und seh den Fuß des Bergs vom Weiten.
Ein Schritt zugelegt, die Ebene durchquert,
der Faulheit Klammer abgewehrt.

Wie die Preußen bei der Erstürmung der Düppler Schanzen,
mit Asthmaspray im Anschlag und vollgepacktem Ranzen
Es wird gelingen, noch nie konnte eine Schlacht jeden Recken
im Verlaufe des Getümmels, durchs Gewimmel zu Grunde strecken.
Und hier bin ich der einzige Soldat, kampfentflammt und voll in Fahrt!

Doch wie zu allen Zeiten, alle deutsche Landser
und damals wie heute, jeder dritte deutsche Panzer
komme ich nicht allzu weit, die Erklärung gleich bereit:
„Das sind technische Probleme,
die es ohne Gott halt schlicht nicht gäbe!
Nichts was man dagegen tun kann,
keine Frau und erst Recht nicht dieser Mann!“
Also plumps ich zu Boden, stoß mir die Hoden,
spring wieder auf, fall‘ in ‚nen Strauch.

Da bleib ich mal liegen für die Minuten
bis mich die Rufe vom Berg wieder rufen.
„Ja doch!“ brüll ich zurück,
„du nervtötentes geologisches Stück!
Ich steh ja auf, ich geh ja schon,
ich klettere weiter auf den felsigen Thron!
Aber ich warne dich, Sohn des Gebirges,
wenn da oben schlecht Wetter herrscht – verbirg es!“


Und so ziehe ich weiter, sehe Ross und Reiter,
die vom Gipfel kommen, sich kalt und beklommen,
sich klammern an Stecken und Stangen,
um den nächsten, sicheren Tritt bangen.
Und ich ihnen entgegen, im frohen Bestreben,
ein Vorbild zu sein in ihrer ermüdenden Pein.
Ein Anblick, ein Auswuchs, von epischer Manneskraft
die mit einem Blick gleich zeigt was ein Mann so schafft
der den Willen hat, und auch den Mut,
festes Schuhwerk – doch leider keinen Hut.

Und der Hut wars, der hätt mich geschützt,
vor dem sengenden Sonnenblendbrandgeschütz.
Und so war es kein Bildnis vom schreitenden General,
der Anblick von mir war im Gegenteil ganz fatal;
die Frauen keuchten, die Pferde scheuten,
Ein Mädchen sucht Schutz, weinend im Arm vom Vater,
sah ich aus wie verkohlter Meteroiteneinschlagskrater:
Alles verkohlt, in Fetzen hängend,
der Augapfel liquid aus der Höhle drängend,
Das Grinsen schief, das Brabbeln leise,
ein strenger Mief, ein Zombie auf Reise!

Der Gipfel naht, ich riech sie schon,
Gipfelluft vom Himmelsthron!
Doch was sehen die entzündeten Augen,
kann mein Verstand denn nichts mehr taugen?
Ein Schelm, wer sich das hat ausgedacht,
ein Schelm, der dabei hat auch noch gelacht.
Dem tapferen Wandersmann ein Bein gestellt,
sich eine Treppe auf der Spitze noch dazu gesellt.
Daran schließt an in voller Pracht – Glas und Stahl, dass es kracht.

Umringt bin ich nur von Forst, wer war das für ein Horst,
der die Aussicht hat da hochverlegt?
„Hat man sich denn nicht genug gequält?
Einhundersechzigstufenund!“
Tu ich meinen Unmut kund.
Auf der Hälfte der Stufen allerdings,
endet abrupt der steinerne Sims,
der mich getragen hat bis hier her.
„Bis jetzt wars noch gar nicht schwer!“

Gitterstufen, ich hör sie rufen,
nichts für meine ollen Kufen.
Es ist die Sache die mich plagt,
das beim Blick nach unten die Schätzung nagt:
„Trägt das wohl, ist das wohl tief?
Ist der Balken vielleicht schief?
Kommt der Wind und trägt mich einfach fort?
Schlag ich auf auf fernem Ort?
Gedärme und Gehirn sind überall,
Feuerwehr, Notarzt, Bullerei?
Oder packt der Irrsinn mich komplett,
und ich schwing mich einfach übers Brett?
Was ist wenn der Adler mich ergreift
und auch noch triumphierend kreischt,
wenn er mich in seinen Horst verschleppt
und seine Jungzucht zum Frühstück weckt?
Ist ein Irrer gar dort oben?
Hat er mich als Opfer aus erkoren?
Wie ein wilder Stier, dem die Eier verbrannt,
kommt er mit Geschrei auf mich zu gerannt?
Ach, ich bin schon oben und keiner ist da,
na das lief ja wunderbar.“


So steh ich da und schau ins Tal – da hör ichs Rufen noch einmal.
„Was denn jetzt zum Teufel, Donnerwetter!
Langsam geht es nicht mehr wirklich besser!
Auf das Gebälk da steig ich bestimmt nicht rauf,
für einen Berg bist du ziemlich komisch drauf.“

Runter komm ich in diesem Sinne auch nicht wieder,
denn da oben brennt die Sonne mal so richtig nieder.
Und während ich so da steh und so staune,
geht meine Farbe langsam so ins Braune.
Dann noch dunkler, dann schon schwarz,
dann fang ich an zu kleben wie Tannenharz.
Langsam lauf ich durch das Gitter,
bin halt eh nur noch wie Glibber.

An diesem Punkt ist das auch schon nicht mehr wichtig,
denn endlich bin ich angekommen, diesmal aber richtig

.



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