Donnerstag, 14. Januar 2021

Fühlst du dich?

 In Anlehnung an den vorherigen Post, hier nun mein zweites Gedicht. In diesem Gedicht habe ich erstmals - und das im Zuge meiner Therapie - versucht, die Gefühle und Zustände in meiner Kindheit in eine lyrische, verarbeitbare Form zu bringen. Ich habe versucht, meine Perspektive, die Motive, die Folgen und das ceterum censeo heraus zu arbeiten. Nannte ich "Der Berg ruft" mein Magnum Opus, so ist "Fühlst du dich?" direkt aus meiner Seele geschnitten.



Fühlst du dich?

Hörst du sie? Ich hör schon. Auf leisen Sohlen,
donnernd die Schritte, völlig unverhohlen
Die Watte an der Sohle kaum angehoben,
Hat mein Herzschlag sich verschoben.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Näher kommend, sekundenschnell,
Augen zu, denn gleich wird’s hell.
Meine Schreie, stumm, still und grell
die hört niemand, niemand der nicht will.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Von allem was man zu empfinden kennt,
enthält nur Furcht dieses eine Element,
was die Erfahrung ins Hirn mir brennt
und du mir in die Haut dein Ornament.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Du bist kein Mensch, nicht mal ein Tier
was wollen tust du nicht von mir.
Du hast kein Bestreben, kein Metier,
kein Argument wegen dem du stündest hier.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Es ist der Wahnsinn, der dich reitet,
über dessen Kliff man gleitet,
als Tandemflug, an dich gekettet,
mit einer Kugel Blei, dich mich rettet.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Man stellt sich ab, wie ein Notausknopf
Man stellt sich ab, zuerst den Kopf,
dann den Körper, zusehen wie ich tropf
als Blut von deiner Hand und auf den Boden klopf.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Kreatur, Abschaum, Missgeburt, mehr bist du nicht,
heute weiß ich das, und schneids in dein Gesicht.
Ich war nur ein Kind, ohne jegliches Gewicht.
Und irgendwann, dann halt ich mein Gericht.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Denn Karma, du Fotze, ist eine Schlampe
und irgendwann führt sie dich auch zur Rampe
und weist dann nach links zum Bad – danke!
Aus deiner Haut bastel ich eine Lampe.
Fühlst du dich? Ich mich nicht.

Beiseite den Zorn, beiseite den Hass, beiseite die Wut, beiseite das Gas.
Es hilft ja nichts, das muss ich gestehen, selbst würdest du vom Erdenrund gehn,
Ich bin kaputt, zerrüttet schon immer, da hilft dann kein Selbstmitleidsgewimmer.
Und so schluck ich es und ertrage, und stelle mir jeden Tag nur die eine Frage:

Fühlst du dich? Ich tat das nie.
Fühlst du dich? Ich weiß nicht wie.


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